In der Datenwolke wird es heiß

Wo Com­pu­ter arbei­ten, ent­steht Hit­ze. Die Fir­ma Cloud & Heat aus Dres­den hat eine Tech­nik ent­wi­ckelt, um damit Häu­ser mit Warm­was­ser und Heiz­ener­gie zu ver­sor­gen. Die ver­netz­ten Rech­ner bil­den eine Cloud.

DRESDEN. Am Anfang steht ein Haus­bau. Wäh­rend der Infor­ma­ti­ker Chris­tof Fet­zer in Dres­den ein Pas­siv­haus für sei­ne Fami­lie plant, geht sei­nem Kol­le­gen, dem Phy­si­ker Jens Struck­mei­er, eine Fra­ge nicht aus dem Kopf, aus der eine Geschäfts­idee her­vor­ge­gan­gen ist: Was wäre, wenn sich die durch eine gan­ze Rei­he von Com­pu­tern ent­ste­hen­de Wär­me im Fet­zer-Neu­bau nut­zen lie­ße? Zum Bei­spiel, um ihn zu behei­zen und ana­log dazu vie­le Gebäu­de in gro­ßem Stil.

Der 42-Jäh­ri­ge denkt nach, rech­net und ent­wirft mit dem sechs Jah­re älte­ren Fet­zer den Pro­to­ty­pen eines Ser­ver­schranks, der die Rech­ner auf­neh­men soll. Sie kon­stru­ie­ren ihn so, dass die Abwär­me, die beim Betrieb von Com­pu­tern ent­steht, durch Wär­me­tau­scher in den Hei­zungs- und Was­ser­kreis­lauf von Gebäu­den ein­ge­speist wer­den kann. Falls vor­han­den, soll es auch mög­lich sein, die Ser­ver-Warm­luft direkt in das zen­tra­le Lüf­tungs­sys­tem eines Hau­ses zu lei­ten – um es ent­we­der zu behei­zen oder die Wär­me unkom­pli­ziert und kos­ten­güns­tig nach drau­ßen zu beför­dern. Auf­wen­di­ge sepa­ra­te Kühl­sys­te­me für die Com­pu­ter sind damit über­flüs­sig. Das spart Ener­gie und Geld.

In einem nächs­ten Schritt sol­len die über das Inter­net ver­netz­ten Ser­ver ver­schie­de­ner Stand­or­te ein vir­tu­el­les Rechen­zen­trum bil­den. Die Vor­aus­set­zung, um aus dem Ein­fall eine Geschäfts­grund­la­ge zu machen, liegt im rasant wach­sen­den Markt für aus­ge­la­ger­te Rechen­leis­tun­gen und dem Aus­bau von Breit­band-Inter­net­ver­bin­dun­gen. Um die nöti­ge Anzahl von Ser­ver­schrän­ken zu ermit­teln, mit der ein Haus abhän­gig von Ener­gie­bi­lanz und Grö­ße beheizt wer­den kann, ent­wi­ckelt Struck­mei­er ein Simulationsprogramm.

Damit haben er und Fet­zer eine Geschäfts­idee, die die Märk­te für Ser­ver-Rechen­leis­tun­gen und Wär­me mit­ein­an­der ver­bin­det, und die dafür erfor­der­li­che Tech­nik, die sie aus ein­zel­nen Rech­ner­kom­po­nen­ten selbst zusam­men­bau­en. Nur eine Fir­ma fehlt und ein Geschäfts­füh­rer, der Start­ka­pi­tal ein­treibt. Dafür holen die bei­den den Kauf­mann René Mar­cel Schretz­mann ins Boot, der vor­her als Bera­ter sowie in der Geschäfts­lei­tung der Kauf­hof Waren­haus AG tätig war, und grün­den im Okto­ber 2011 die Fir­ma AoTer­ra, die mitt­ler­wei­le bei­de Geschäfts­fel­der unter dem neu­en Fir­men­na­men Cloud & Heat vereint.

Was vor drei Jah­ren beschau­lich mit fünf Mit­ar­bei­tern in Räu­men der TU Dres­den beginnt, ist mitt­ler­wei­le ein Unter­neh­men von knapp 40 Mit­ar­bei­tern. Im Herbst 2013 zie­hen sie in das neue Domi­zil im Dres­de­ner Nor­den in ein schick her­aus­ge­putz­tes ehe­ma­li­ges Maschi­nen­haus. Nur einen Stein­wurf ent­fernt, ragt das Mili­tär­his­to­ri­sche Muse­um in die Höhe, des­sen Umbau Star­ar­chi­tekt Sir Nor­man Fos­ter verantwortet.

Auch die Räu­me von Cloud & Heat kün­den von den Ambi­tio­nen der Infor­ma­ti­ker, Inge­nieu­re, Vertriebs‑, Mar­ke­ting- und Ver­wal­tungs­fach­leu­te, die die Fir­ma beschäf­tigt: Drin­nen domi­nie­ren Glas­wän­de und kla­re For­men, nach drau­ßen hohe Fens­ter. Der Emp­fangs­be­reich ist groß­zü­gig gestal­tet. Über einem lan­gen Tre­sen prangt der in Schwarz und Grün gehal­te­ne Fir­men­schrift­zug auf strah­lend­wei­ßem Grund, wäh­rend sich dane­ben der Blick öff­net auf ein weit­läu­fi­ges Büro mit Grün­pflan­zen und Dut­zen­den Rech­ner­plät­zen. Neben­an, in der Werk­statt, rei­hen sich Ser­ver an Ser­ver, Stahl­schrank an Stahl­schrank. Wo vor­mals schnau­ben­de und stamp­fen­de Maschi­nen gestan­den haben müs­sen, arbei­tet nun eine bun­te Trup­pe, die vor allem an der TU Dres­den rekru­tiert wird.

Sie wol­len mit Schretz­mann und Tech­nik­chef Struck­mei­er ganz nach oben. Dar­an las­sen die bei­den im Gespräch kei­nen Zwei­fel: „Wir wol­len einer der wich­tigs­ten Cloud-Anbie­ter Euro­pas wer­den und dar­über hin­aus“, sagt der 38-jäh­ri­ge Schretz­mann selbst­be­wusst. „Wir sehen uns als Gold­grä­ber des Cloud-Com­pu­ting“, legt Struck­mei­er nach. Ohne­hin betrei­be ihre Fir­ma „die grüns­te Cloud der Welt“.

Einer­seits wür­den mit ihren Ser­ver­schrän­ken je Ein­heit bis zu zehn Ton­nen Koh­len­di­oxid pro Jahr gegen­über kon­ven­tio­nel­len Rechen­zen­tren ein­ge­spart, was aber auch vom Stand­ort abhän­gig sei – je bes­ser des­sen Ener­gie­bi­lanz, des­to grö­ßer das Poten­ti­al. Schon des­halb kom­men als Instal­la­ti­ons­or­te kei­ne Alt­bau­ten in Fra­ge, son­dern nur Nied­rig­ener­gie- oder Pas­siv­häu­ser, sagen sie. Zum ande­ren wird aus­schließ­lich Öko­strom für den Ser­ver­be­trieb eingekauft.

Doch auch mit den bis­he­ri­gen Unter­neh­mens­da­ten will Cloud & Heat punk­ten: Schon im ers­ten Halb­jahr nach Grün­dung wur­den 100 000 Euro umge­setzt. Für das ver­gan­ge­ne Gesamt­jahr weist Geschäfts­füh­rer Schretz­mann schon einen zehn­mal so hohen Betrag aus. Um den Weg bis zur Pro­fi­ta­bi­li­tät zu über­brü­cken, die für Ende nächs­ten Jah­res ange­peilt ist, beschafft Schretz­mann nicht nur Geld von der ört­li­chen Spar­kas­se und von dem Grün­der­fonds Start­bahn Ven­tures. Auch Crowd­fun­ding über die Schwarm­ka­pi­tal-Platt­form Seed­match spült Geld in die Kas­se. Mit 1 Mil­li­on Euro, die dabei zusam­men­kommt, ist die Fir­ma lan­ge Zeit Spit­zen­rei­ter in Deutschland.

Dank der ein­ge­wor­be­nen Mit­tel konn­te Cloud & Heat bis­lang 464 Ser­ver in Deutsch­land instal­lie­ren. „An Stand­or­te zu kom­men, ist kein Pro­blem“, sagt Struck­mei­er. „Wir müs­sen sogar Anfra­gen ableh­nen.“ Der­zeit lie­gen alle Anstren­gun­gen dar­auf, neue Cloud-Kun­den zu gewin­nen. „75 sind es mitt­ler­wei­le“, sagt Schretz­mann, „vor allem tech­no­lo­gie­af­fi­ne Star­tups, Mit­tel­ständ­ler, Ein­zel­per­so­nen, aber auch grö­ße­re Unter­neh­men“. Wer die­se grö­ße­ren sind, wird zwar nicht ver­ra­ten. Doch mit eini­gem Stolz ver­weist er auf eine Koope­ra­ti­on mit der Deut­sche-Bör­se-Toch­ter Cloud Exchan­ge, einem Markt­platz für inter­net­ba­sier­te Rechen­leis­tun­gen, an dem künf­tig auch über­schüs­si­ge Kapa­zi­tä­ten der Dres­de­ner gehan­delt werden.

Gut posi­tio­niert im Markt sehen Schretz­mann und Struck­mei­er ihre Fir­ma dabei einer­seits durch ihre dezen­tral auf­ge­stell­ten Ser­ver. Die im Ver­gleich zu einem gro­ßen Ein­zel­stand­ort durch­schnitt­lich kür­ze­re Ent­fer­nung zu den Kun­den ver­rin­gert die Daten­über­tra­gungs­zeit. Das ist das eine. Mehr noch aber dürf­te die Tat­sa­che wie­gen, dass Cloud & Heat Rechen­leis­tung wohl bil­li­ger anbie­ten kann als man­cher Wett­be­wer­ber. Da die Fir­ma kei­ne Rechen­zen­tren bau­en muss, spart sie Kos­ten. An die­sem Vor­teil wie­der­um wer­den Haus­be­sit­zer betei­ligt, die die Ser­ver­schrän­ke zu je etwa 12 000 Euro ordern und dann von Tech­ni­kern des Unter­neh­mens oder Part­ner­fir­men auf­stel­len und war­ten las­sen. Min­des­tens 15 Jah­re lang, so lau­tet die ver­trag­li­che Zusa­ge von Cloud & Heat, wer­den die Immo­bi­li­en kos­ten­los durch die Tech­nik beheizt und mit Warm­was­ser versorgt.

Dabei pro­fi­tiert das Unter­neh­men vom Mar­ken­zei­chen „Hos­ted in Ger­ma­ny“, denn seit der NSA-Affä­re legen nicht nur tra­di­tio­nel­le mit­tel­stän­di­sche Unter­neh­men Wert dar­auf, dass ihre Daten in Deutsch­land ver­wal­tet werden.

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