„Respekt gebietet Abstand, nicht Identifikation.“ Wer Respekt mit Harmonieerwartung verwechsele, habe die Grundlagen des liberalen Denkens missverstanden, schreibt Christian Geyer heute in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ im Nachgang zum Parteitag von Bündnis 90/Die Grünen, der bis gestern in Münster zusammengekommen war. „Gemünzt auf den Umgang mit gesellschaftlichen Minderheiten, von ethnischen bis hin zu solchen der sexuellen Orientierung, bedeutet dies: Wir brauchen eine Kultur des Respekts, die gerade nicht an der persönlichen Übereinstimmung hängt, an der Abstrafung des Vorurteils, an der Herstellung eines inhaltlichen Konsenses.“ Warum wird das so selten gesagt oder geschrieben? Denn: Respekt ermögliche ja gerade jenes Momentum der Aversion, das durch die Verpflichtung auf die Menschenrechte – diese freilich braucht es – im Zaum gehalten wird. So geht Demokratie: durch Verhandlung von Konflikten, auch: durch Aushalten unterschiedlicher Meinungen. Nicht: durch Zwang zu Gleichklang, vermeintlicher Harmonie.