„Ich frage dann, wie kann es gut und besser weitergehen?“

Pater Mau­rus Kraß vor dem Hoch­al­tar der Wech­sel­bur­ger Basi­li­ka – er ist Bene­dik­ti­ner­mönch und seit 2012 Pri­or des Etta­ler Toch­ter­klos­ters in Mit­tel­sach­sen. Foto: Micha­el Kunze

Der Pri­or des Wech­sel­bur­ger Bene­dik­ti­ner­klos­ters, Pater Mau­rus Kraß, schaut trotz man­cher Her­aus­for­de­rung wäh­rend sei­nes Diens­tes in Klos­ter Ettal und an der Zwi­ckau­er Mul­de dank­bar auf 40 Jah­re Pries­ter­tum zurück. Oben­drein wirft ein gro­ßes geist­li­ches Pro­jekt für die Basi­li­ka ver­hei­ßungs­vol­le Schat­ten voraus.

WECHSELBURG. Als vor Tagen einer der erfah­rens­ten Kunst­his­to­ri­ker Sach­sens mit einer Rei­se­grup­pe an der Ost­see­küs­te die Spu­ren Cas­par David Fried­richs beschritt, die die­ser in sei­ner Hei­mat hin­ter­las­sen hat, zog er auf der Rück­fahrt die­ses Fazit: „Es ist bemer­kens­wert“, sag­te Harald Marx, lang­jäh­ri­ger Direk­tor der Dresd­ner Gale­rie „Alte Meis­ter“, „dass ein Maler, ohne des­sen star­ke Reli­gio­si­tät sein Werk unver­ständ­lich bleibt, in einem vie­ler­orts säku­lar gewor­de­nen Land sol­che Neu­gier erzeugt.“

Tho­mas Kraß haben die gro­ßen Fra­gen des Lebens, Urer­fah­run­gen, die auch Fried­rich in sei­nen Wer­ken the­ma­ti­siert hat­te, schon als Schü­ler in Karls­ru­he bewegt. Doch wer meint, der 1959 dort Gebo­re­ne habe sich im katho­li­schen Baden ver­stan­den gefühlt, irrt. In der Stadt, in der er mit den Eltern und der vier Jah­re jün­ge­ren Schwes­ter auf­ge­wach­sen ist und das natur­wis­sen­schaft­li­che Gym­na­si­um besuch­te, nahm er unter Gleich­alt­ri­gen viel Unver­ständ­nis wahr. Der Jugend­li­che wur­de belä­chelt. Nicht nur in der DDR, auch in den gesell­schafts­po­li­tisch tur­bu­len­ten 1960er- und 70er-Jah­ren in der Bun­des­re­pu­blik war das für Chris­ten kei­ne sel­te­ne Erfah­rung, wie­wohl sie im Wes­ten nicht auf einer poli­tisch ver­ord­ne­ten Leh­re fußte.

Der jun­ge Mann fand aller­dings nach sei­nem Ein­tritt in die 330 Kilo­me­ter ent­fern­te Bene­dik­ti­ner­ab­tei Ettal Sinn­su­chen­de mit ähn­li­chen Anlie­gen. Seit mitt­ler­wei­le zwölf Jah­ren wirkt er, der den Ordens­na­men Mau­rus ange­nom­men hat, nun im Toch­ter­klos­ter in Wech­sel­burg. Hier, in der roma­ni­schen Basi­li­ka, fei­ert der Wech­sel­bur­ger Pri­or am 6. Okto­ber, auf den Tag 40 Jah­re nach der Pries­ter­wei­he, deren Jahrestag.

Die Mut­ter habe damals auf sei­nen Ent­schluss, aus­ge­rech­net in das fer­ne Ettal ein­zu­tre­ten, mit Trau­er reagiert. „Sie fürch­te­te, mich kaum mehr zu Gesicht zu bekom­men“, sagt Mau­rus Kraß. Unver­ges­sen und zum Schmun­zeln ange­tan: die Reak­ti­on der Schwes­ter, als er ihr offen­bar­te, Mönch wer­den zu wol­len. „Sie hielt das als Teen­age­rin für außer­or­dent­lich pein­lich und frag­te mich, wie sie das ein­mal ihrem Freund erklä­ren sol­le.“ Heu­te heißt der Pater sie dank­bar „bes­te Freundin“.

Kraß stu­dier­te Theo­lo­gie in Frei­burg, Würz­burg, Mün­chen. Im Jah­re 1983 band er sich lebens­lang an das Klos­ter. Zum Pries­ter geweiht, folg­te ein Ger­ma­nis­tik­stu­di­um. 1991 wur­de er Leh­rer am Klos­ter­gym­na­si­um, 1997 Schulleiter.

Gab es schwe­re Zei­ten? Ja, sagt Pater Mau­rus, immer wie­der. „Ich fra­ge dann, wie kann es gut und bes­ser wei­ter­ge­hen?“ 2010 leg­te er das Amt als Schul­lei­ter nie­der, um stell­ver­tre­tend Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men für Miss­brauchs­vor­wür­fe gegen Mön­che im ange­schlos­se­nen Inter­nat, für das er nicht zustän­dig war; die Staats­an­walt­schaft hat nie gegen ihn ermit­telt. Er konn­te als Schul­lei­ter zurück­keh­ren. Als her­aus­for­dern­der hat er nur die Trau­er­be­glei­tung drei­er Fami­li­en emp­fun­den, deren Kin­der in sei­ner Zeit am Gym­na­si­um schwe­ren Erkran­kun­gen erle­gen waren. Eltern hat­ten ihn um die­sen Bei­stand gebe­ten. In Wech­sel­burg ist er auch Pries­ter­seel­sor­ger, hilft Pfar­rern, wie­der zu Kräf­ten zu kommen.

So nennt er auf die Fra­ge danach, wel­che The­men ihn in 40 Jah­ren beson­ders beglei­tet haben, aus­ge­rech­net Krank­heit, Ster­ben, Tod. Wäh­rend man­che Pries­ter – jeder Mensch hat Gaben, die ande­re erken­nen – häu­fig gefragt wür­den, ob sie die­se Tau­fe, jene Trau­ung vor­neh­men kön­nen, sei­en es bei ihm vor­ran­gig trau­ri­ge Anläs­se gewe­sen. Anfangs habe ihn das bedrückt. Spä­ter reif­te die Ein­sicht, dass gera­de dies ein Teil sei­ner Beru­fung aus­ma­che, die Kin­der spür­ten wie Alte, Katho­li­ken wie Ange­hö­ri­ge ande­rer Kon­fes­sio­nen oder kirch­lich Unge­bun­de­ne – so, wie sich bei vie­len Ergrif­fen­heit ein­stellt bei der Betrach­tung eines Friedrich-Gemäldes.

Ob er sich zum Jubi­lä­um etwas wün­sche? „Nichts für mich“, sagt der Pater. Wer indes kann, möge für die Basi­li­ka spen­den, für deren Sei­ten­schiff der­zeit ein neu­er Altar ent­steht. Das Gemäl­de, das ihn zie­ren soll, zeigt die Patro­nin der neu­ge­grün­de­ten Groß­pfar­rei, die Hei­li­ge Tere­sa Bene­dic­ta vom Kreuz, bes­ser bekannt unter ihrem bür­ger­li­chen Namen Edith Stein. Geschaf­fen wird es von kei­nem Gerin­ge­ren als dem bedeu­ten­den Ver­tre­ter der Leip­zi­ger Mal­schu­le, Micha­el Trie­gel.

Anstel­le des jahr­zehn­te­lang im Quer­schiff der Wech­sel­bur­ger Basi­li­ka auf­ge­stell­ten, sanie­rungs­be­dürf­tig gewor­de­nen Schreins eines goti­schen Mar­tin­sal­tars (links) wird bis Ostern 2025 ein neu­er Altar errich­tet. Das dafür bestimm­te Gemäl­de zeigt die Hl. Edith Stein und stammt von Micha­el Trie­gel. Foto: Micha­el Kunze

Das 40-jäh­ri­ge Pries­ter­ju­bi­lä­um von Pater Mau­rus Kraß wird am Sonn­tag, 6. Okto­ber 2024, 10.30 Uhr, mit einer Hl. Mes­se in der Basi­li­ka zu Wech­sel­burg gefeiert.

Bewer­ten Sie die­sen Bei­trag: : 1 Star2 Stars3 Stars4 Stars5 Stars
Loa­ding…
Share this: 
Share this page via Email Share this page via Facebook Share this page via Twitter

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert