Das gute Gefühl der Kunden, wenn sie ihre Bücher oder CDs einschicken, hilft dem Wiederverkäufer Momox.
LEIPZIG. Wer zu Momox in den Norden Leipzigs gelangen will, muss auf den Schriftzug des einstigen Versandhändlers Quelle achten. Denn das Hochregallager des nach eigener Auskunft umsatzstärksten deutschen Internet-Wiederverkaufshauses ist noch nicht unter eigenem Namen ausgeschildert. Erst am Gebäude selbst wird mit dem Momox-Logo der Sprung ins Internetzeitalter deutlich, den der Vorbesitzer des Lagers, Quelle, verschlafen hatte.
Direkt an der Neuen Messe an Leipzigs Stadtrand erhebt sich das mit 40 000 Quadratmetern auf vier Etagen größere der beiden Lager- und Versandzentren, die das junge Unternehmen angemietet hat. Hier wird nicht nur die angekaufte Ware palettenweise von den Lastwagen der Versanddienstleister entnommen, danach von Momox-Mitarbeitern auf ihren Zustand geprüft und schließlich in eines der langen Regale eingelagert. Von hier aus gehen Bücher, CDs oder Computerspiele später auch wieder zu den Kunden.
Im Dezember 2011 war das damals einzige, nur etwa halb so große Momox-Lager im brandenburgischen Neuenhagen zu klein geworden für Christian Wegners Unternehmen, das er 2006 in Berlin mit bescheidenen 1500 Euro Startkapital gegründet hatte. Was als Einmannbetrieb zum An- und Verkauf gebrauchter CDs über das Internet begann, wurde ohne Hilfe externer Investoren zum mittelständischen Betrieb. Im vergangenen Geschäftsjahr waren es dann schon 750 Mitarbeiter, die 60 Millionen Euro erlösten. Und zurzeit werden schon wieder 200 Stellen besetzt. Die Bewerber dafür geben sich am Leipziger Firmentor die Klinke in die Hand. Dabei verzichtet das Unternehmen im Gegensatz zu manchem Wettbewerber bewusst auf Zeitarbeiter. „Unsere Arbeit ist weniger saisonal geprägt oder von Feiertagen“, sagt Heiner Kroke, der im März dieses Jahres für Christian Wegner an die Spitze von Momox trat.
„Kontinuierlich“ will der 44 Jahre alte Unternehmer das Geschäft ausbauen, das längst nicht mehr auf CDs begrenzt ist, auch wenn deren Ankauf über die Momox-Internetseite und der Verkauf über das Portal der Tochterfirma Medimops noch immer ein Fünftel des Umsatzes ausmachen. Fast genauso groß ist der Anteil von DVDs. Längst dazugekommen sind Bücher aus zweiter Hand, die mit 55 Prozent des Geschäftsvolumens am schwersten wiegen. Hier liegen nach Krokes Angaben die Wachstumsraten im zweistelligen Bereich. „Der Neuverkauf von Büchern mag sich abschwächen“, sagt er, „doch der Gebrauchtmarkt boomt bei uns seit Jahren.“ Den Rest des Umsatzes erwirtschafteten bislang Computerspiele und Technik.
Die besten Geschäfte macht Momox gerade mit den Produkten, deren Erscheinungsform sich ändert oder die von Innovationen abgelöst werden, ohne dass sie ganz vom Markt verschwinden – mit CDs etwa oder gedruckten Büchern. Zwei Kundengruppen skizziert Kroke, auf die es Momox ankommt: Zum einen diejenigen, die nach dem Kauf eines E‑Books ihr Bücherregal ausräumen oder ihre CDs im Austausch für MP3-Dateien ausrangieren. Zum anderen diejenigen, die diese Medien dann deutlich unterhalb des Neupreises gebraucht kaufen wollen.
Künftig soll die Kleinelektronik mit Handys, Kameras, Tablet-PCs, Konsolen oder MP3-Spielern stärker gemacht werden. Im August ging dazu eine zusätzliche Internetseite online, über die nun auch Markenbekleidung aus zweiter Hand angekauft wird. Der Kopf hinter den Innovationen ist Christian Wegner, der als Mehrheitseigner neben Kroke und Marketingchef Timm Langhorst nach wie vor der Momox-Geschäftsführung angehört. Während Kroke sich auf das operative Geschäft und die Finanzen konzentriert, tüftelt Wegner an Konzepten für die Märkte der Zukunft. Kroke nennt ihn deshalb „den Dynamiker des Hauses“, dabei hat er selbst nach Stationen bei Ebay und Ricardo ebenfalls reichlich Erfahrung im Online-Geschäft.
Weil aber Stillstand in der Internetwelt der Tod wäre, muss Momox am Ball bleiben auf dem in Deutschland heiß umkämpften Wiederverkaufsmarkt mit starken Wettbewerbern wie Rebuy, Ebay oder der Amazon-Gesellschaft Trade-in. Bislang agierte Momox erfolgreich am Puls des Online-Marktes und war abgesehen vom abgelaufenen Geschäftsjahr nach eigenen Angaben stets profitabel. Die Delle im Jahr 2012 sei dem „großen Wachstum“ geschuldet, welches das Unternehmen jüngst zu schultern hatte, sagt Kroke. Ohne einen Euro Fremdkapital soll auch weiterhin der gesamte Geschäftsablauf in Eigenregie betrieben werden: vom Ankauf über die Logistik, das Marketing und den Kundendienst bis zum Verkauf. Auslagerungen von Unternehmensteilen oder Geschäftsprozessen plant er nicht.
Obwohl die Berliner die Waren mittlerweile auch aus Österreich, Großbritannien und Frankreich aufkaufen und sie dann – mit Hilfe von Amazon – bis nach Amerika verkaufen, sieht der gebürtige Siegener die Branche und sein Unternehmen „erst am Anfang“. Für Frankreich ist deshalb eine eigene Internetverkaufsseite in Planung. „Der Umsatzanteil aller Auslandsmärkte zusammen liegt aber sowohl auf der An- wie auf der Verkaufsseite noch im einstelligen Bereich“, sagt er. Dabei sei die Wettbewerbssituation im Ausland eine ganz andere als hierzulande. Den Wiederverkaufsmarkt über das Internet sieht er „als ein bislang weitgehend auf Deutschland beschränktes Phänomen, als eine Innovation, die nicht aus Amerika kommt“.
Hier wie dort aber will er damit punkten, dass Kunden ihre Waren möglichst unkompliziert loswerden – zu garantierten Preisen, die man vor Einsendung der Ware über das Internet erfahren kann. Die ISBN-Nummern oder die Produktcodes von Büchern oder Elektronikartikeln werden dazu über eine Handy-App eingelesen, andernfalls manuell über PC- oder Laptoptastatur eingetippt. Ist eine Sendung nach Momox-Kalkulation mindestens 10 Euro wert, kann das Paket in die Post. Wem das zu viel Mühe bereitet, der kann seine Lieferung von zu Hause abholen lassen. So oder so: Das Porto übernimmt Momox.
Erfüllt die Ware die auf der Internetseite beschriebenen Anforderungen, bekommt der Kunde sein Geld aufs Konto. Eignet sie sich nicht für den Weiterverkauf, entscheidet der Anbieter selbst, ob er sie zurücknimmt, oder ob sie von Momox kostenfrei entsorgt werden soll. Bequemer lassen sich Speicher oder Hobbykeller kaum entrümpeln, wenn auch allzu große Erlöse eher selten zu erwarten sind. Ist ein Buch kein aktueller Bestseller oder die CD schon einige Jahre alt, bleiben oft nur niedrige Euro- oder gar Cent-Beträge je Artikel. So stellt Momox sicher, dass weder die Lager überquellen, noch am Markt vorbei beschafft wird. Vielen Kunden komme es aber ohnehin nicht in erster Linie auf die Höhe des Erlöses an, sagt Kroke. Auch das gute Gefühl sei Verkäufern wichtig, dass noch brauchbare Dinge nicht im Müll landeten.