Der Grüne Markt der ehemaligen Hauptstadt im äußersten Südosten Kasachstans gibt sich bunt. Weil die Händler hier nicht nur frisches Gemüse oder Obst feilbieten, sondern auch Kleidung und Elektronikartikel, Haushaltswaren und Hygieneartikel bis hin zu einzelnen Rollen Toilettenpapier. Sorgfältig übereinander gestapelt, warten sie auf Kundschaft. Auch Honig scheint hoch im Kurs zu stehen. Sechs, sieben, acht und mehr Stände, vorrangig russischer Provenienz, zähle ich. Immerzu strecken die Männer und Frauen mit einladenden Gesten über die Verkaufstheken kleine Pappstäbchen mit Kostproben herüber. Bei den Trockenobsthändlern – durchweg Usbeken seien es, wie uns gesagt wird – ist es nicht anders. Nur wird hier noch nachdrücklicher zum Probieren der ausgedörrten Aprikosen, Trauben, Preiselbeeren gedrängt. Wie zum Inventar des Basars, der in einer Markthalle untergebracht, aber über sie hinaus gewachsen ist, gehören auch die Koreaner. Die Ersten wanderten schon im 19. Jahrhundert aus ihrer Heimat in das russische Zarenreich ein, vornehmlich aus wirtschaftlichen Gründen. Neben Usbekistan und Russland zählt auch Kasachstan heute zu den Heimstätten einer bedeutenden koreanischen Minderheit, der hier auf dem Grünen Markt vor allem der Salatverkauf obliegt. Dutzende Variationen stehen zum Verkauf, oftmals aufwendig zubereitet. Den für ausländische Besucher zweifellosen Höhepunkt bildet jedoch der Fleischmarkt des Basars. Nicht zerlegte, nur ausgenommene Schweine karrt man heran, Rinderkeulen, ganze ‑hüften und ‑rippenpartien. Dazu auf dutzenden Standmetern Pferdefleisch, das sich in Kasachstan großer Beliebtheit erfreut. In allen Proportionen und Variationen liegt es zum Verkauf bereit; sämtlich, so hat es den Anschein, ohne Kühlung. Schließlich macht uns unser Führer auf eine besondere Delikatesse aufmerksam: Akkurat aufgereiht lagern sie auf den Tischen – drei, vier, fünf nebeneinander. Schafköpfe sind es; säuberlich abgetrennt von ihren Rümpfen, warten sie auf Käufer. „Jedes Teil eines Kopfes steht einem bestimmten Familienmitglied zu“, sagt unser Begleiter. Die Zungenspitze werde den Kindern gereicht, auf dass sie gut zu sprechen lernten. Der Gaumen hingegen sei den Ehefrauen vorbehalten. Damit sich ihr Geschmack schule? Als Delikatesse gelten die Augen. Der Hausvorstand bietet sie nur besonderen Gästen an. Eine Geste sei dies, die nicht abgelehnt werden könne, ohne ihn zu brüskieren. Honos habet onus.