Dresden, 9. Dezember 2013

„Ossis neu­en Typs“ hat sie eine Spre­che­rin der Bun­des­stif­tung Auf­ar­bei­tung kürz­lich genannt. Gemeint hat die Dame die soge­nann­te 3te Genera­ti­on Ost, eine Grup­pie­rung von Ost­deut­schen, die von Mit­te der sieb­zi­ger bis Mit­te der acht­zi­ger Jah­re gebo­ren wur­de – jun­ge Leu­te also, die die DDR nur­mehr im Kind­heits- oder frü­hen Jugend­al­ter erlebt haben. Und sie womög­lich gera­de des­we­gen heu­te bei­na­he mehr ver­mis­sen als alt­ge­dien­te frü­he­re SED-Kader. Die­se Mitt­drei­ßi­ger tre­ten auf (selbst orga­ni­sier­ten) Kon­gres­sen, Tagun­gen oder Semi­na­ren immer öffent­lich­keits­wirk­sa­mer gemein­sam auf, um sich ihrer Erleb­nis­se von einst zu ver­si­chern. Stolz wird davon berich­tet, wie das Pio­nier­hals­tuch getra­gen und der Kin­der­gar­ten besucht wur­de. Ist das mehr als ein recht pein­li­cher, doch in dem nai­ven Ges­tus fast wie­der beängs­ti­gend daher­kom­men­der Blick zurück? Viel­leicht. Abhän­gig zu machen wäre es davon, für wen genau und wie vie­le die Zonen­kin­der nicht nur vor­ge­ben zu spre­chen, son­dern es auch tun. „Sie schau­en zurück und gleich­zei­tig nach vorn“, sag­te Roland Jahn ein­mal, der Lei­ter der Sta­si­un­ter­la­gen­be­hör­de. Das stimmt, nur bleibt die Fra­ge, wie sie dies tun. Micha­el Pilz schrieb neu­lich in der „Welt“: „Dass die­se Rück­schau dabei weni­ger prag­ma­tisch aus­fällt als bei älte­ren Ost­deut­schen und umso sehn­süch­ti­ger, liegt in der Natur die­ser Genera­ti­on.“ Sie habe auf ihrem „Eil­marsch durch die west­li­chen Insti­tu­tio­nen“ nicht bloß gelernt, Netz­wer­ke zu knüp­fen, son­dern sich auch ein eige­nes Selbst­ver­ständ­nis zurecht­ge­zim­mert. „Die DDR“ – man mag noch ein­mal dar­an erin­nern: die sie inmit­ten ihres Zer­falls­pro­zes­ses nur als Kin­der ken­nen­ge­lernt haben – „wird mit den Jah­ren immer schi­cker und geheim­nis­vol­ler“, mein­te Pilz tref­fend. Obwohl – oder: gera­de weil? – die Ver­tre­ter der „3ten Genera­ti­on Ost“ nach der Wie­der­ver­ei­ni­gung meist ihre Kar­rie­ren im Wes­ten oder im Aus­land begon­nen haben, bevor sie nach Ber­lin, Dres­den, Leip­zig oder Erfurt zurück­kehr­ten, schau­en sie auf das Land ihrer Eltern und Groß­el­tern, als sei es ihr eige­nes gewe­sen. Durch eine Bril­le, die all die Grau- und Schwarz­tö­ne in ein bun­tes Farb­spiel taucht. Nicht zufäl­lig tra­gen sie dar­um heu­te viel­fach Trai­nings­ja­cken mit FDJ-Schrift­zug, schwö­ren auf „Ost­rock“, loben ihre eige­ne Anpas­sungs­fä­hig­keit nach dem Sys­tem­wech­sel von 1989/90, der ihnen gegen­über Gleich­alt­ri­gen im Wes­ten einen Erfah­rungs­vor­sprung ver­schafft habe, oder faseln bei einer Begeg­nung zwi­schen zwei Fuß­ball­mann­schaf­ten aus den neu­en Län­dern vom „Ost­der­by“. „Dar­an“, schrieb Pilz, „ist nicht nur das Gedächt­nis schuld mit sei­nen Tücken. Nach fast 25 Jah­ren selt­sam quel­len­un­kri­ti­scher Auf­ar­bei­tung sieht die DDR aus wie das Abbild ihrer Aktenlage.“

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