In Dresden wurden heute, wie ich den Nachrichten entnahm, Mitarbeiter des Deutschen Roten Kreuzes angegriffen, während sie eine Zeltstadt für Flüchtlinge errichteten. Vom DRK hieß es: „erstmals in einem zivilisierten Land“. Wohl von zwei Dutzend Rechtsextremisten, die der „Asylschwemme“, wie es seit Wochen in sozialen Netzwerken heißt, Einhalt gebieten wollen. „Zeit für Taten“ gewissermaßen – einst ein Wahlslogan der CDU. Wieder viele Blicke auf die Neuen Länder, Sachsen, Dresden. Nun ist es soweit (bin Spätzünder): Ich schäme mich, Dritten gegenüber meinen aktuellen Wohnort preiszugeben. Früher stets die Reaktion darauf: Oh, das barocke Elbflorenz! Ah, Kurfürst Augusts wiedererstandene Residenz! Grünes Gewölbe, Frauenkirche, Kreuzchor. Ich dazu dann immer noch schelmisch: Von hier aus wurde einst Polen regiert. Heute – trotz berechtigter Kritik an vielen Aspekten der Zuwanderungspolitik (die ja auch rechtlich etwas anderes ist) – vor allem eine Reaktion: das Land, die Stadt von Pegida, Glatzen, entfesselter Unzufriedenheit. Jede, sachlich dringend notwendige Diskussion über Zuwanderung wird damit verunmöglicht, obwohl die Lage anderes erfordert. Während (einstweilen?) im Ruhrgebiet Straßenzüge, Stadtviertel von vordringlich ausländischen Banden übernommen werden, die Angst und Schrecken verbreiten, schlagen im Osten „Fußballfans“ Homosexuelle zusammen oder der perspektivlose und/oder ungebildete Mob marschiert, wie in Freital, gegen Flüchtlinge. Da gerät etwas außer Kontrolle …
Ich glaube, in diesem Land ist leider schon einiges außer Kontrolle geraten. Selbstverständlich ist nicht zu akzeptieren, Mitarbeiter des DRK oder THW anzugreifen. Aber das Aufbegehren der Menschen in Dresden oder Freiberg gegen den Eintritt von Situationen wie in einigen westdeutschen Großstädten, in denen ausländische Banden die Lage beherrschen und die Polizei und der Staat bereits resigniert haben, ist schon nachzuvollziehen. Anders werden sie von der Politik nicht gehört.
Dagegen begehren nur meiner Auffassung nach die Leute in Freital oder Dresden nicht auf. Zwei Entwicklungen laufen parallel: eine verfehlte Zuwanderungs- und Innenpolitik, die ausländischen Banden/islamistischenSubkulturen Chancen lässt, und die Salonfähigkeit rechtsextremistischer Parolen. Letztere gab es schon Anfang der 1990er-Jahre in Rostock-Lichtenhagen, Mölln, Solingen, Hoyerswerda so wie es sie in den 1930er-Jahren gab. Die Menschen ändern sich nicht. Besonders anfällig sind die, die Angst um ihre Zukunft haben, Sicherheit, Wohlstand. Das ist vollauf verständlich. Aber nun ist ein Bodensatz salonfähig, der mich sehr an die Prä-NS-Zeit erinnert. Ich habe es selbst erlebt bei öffentlichen Diskussionen um Flüchtlingsheime in Mittelsachsen etwa: Pogromstimmung. Noch einmal: Das ist das eine. Das andere ist die verfehlte Zuwanderungspolitik – ich schrieb ja, hier gibt es dringenden Handlungsbedarf. Die Frage ist nur, wie ich diesen artikuliere. Wie wäre es mit Demos vor Landtag und Bundestag, nicht vor Flüchtlingsheimen? Die Bewohner der letzteren können an der Rechtslage nichts ändern.