Dass sich die einst größte „Kolonie“ von DDR-Auslandsbürgern ausgerechnet im ostafrikanischen Mosambik befand, weiß heute kaum noch wer. Bei Thomas Klemm ist das anders. Er hat seit den 1970er-Jahren das Gemeinschaftsprogramm für die Steinkohlenförderung zwischen den beiden sozialistischen Ländern geleitet. Eine Erfolgsgeschichte?
Oelsnitz (Erzgebirge). Insgesamt 57 Staatsverträge hatte die DDR einst mit dem sozialistischen Mosambik in Südostafrika geschlossen – über Hochschulzusammenarbeit genauso wie auf den Gebieten von Landwirtschaft und Industrie, sagt Thomas Klemm. Für einen Bereich trug der heute 75-Jährige, der im sächsischen Vielau (Kreis Zwickau) wohnt, in den 1970er- und 80er-Jahren selbst federführend Verantwortung: den der Bergbaukooperation.
Auf dem Feld der Steinkohlenförderung, mit der er selbst von der Pike auf vertraut ist (siehe Anhang), erfüllte Klemm die Zusammenarbeit seit 1978 in leitender Funktion mit Leben. Etwa 1000 Kilometer entfernt von der Hauptstadt Maputo trieb er die Ausbeutung des größten afrikanischen Reviers voran. „Wir waren unter anderem für die geologische Erkundung zuständig“, sagt er in der Rückschau. Im Gegenzug auch zu Technologietransfer sollte die DDR bis zu 500.000 Tonnen Steinkohle jährlich erhalten – andere Quellen sprechen von der Hälfte und weisen auf später festgestellte, beträchtliche Qualitätsprobleme bei der Verkokung hin. „Das ist zwar im Vergleich zur noch einige Millionen Tonnen betragenden Jahresproduktion im Ruhrgebiet, nach dem Krieg gar 130 Millionen Tonnen, nicht viel, aber es war ein Anfang.“ Später war eine Produktionssteigerung auf eine Million Tonnen vorgesehen.
Bombardements und Todesfälle
Die Arbeit war gefährlich, auch weil zwischen Mosambik und der vormaligen, westlich angrenzenden britischen Kolonie Südrhodesien, dem heutigen Simbabwe, zeitweise ein erbitterter Krieg tobte. „Das hatte sich natürlich so zunächst bei uns niemand vorgestellt. Es gab sogar Bombenangriffe auf die Anlagen im Distrikt Moatize, in denen 2500 Leute arbeiteten“, sagt Klemm, der heute über seine einstige Arbeit am Rande der Landesgartenschau in Oelsnitz sprechen wird. Seinerzeit seien auch Einheimische ums Leben gekommen. „Doch wir haben ebenfalls Kopf und Kragen riskiert. Es war sehr abenteuerlich, und es gab ununterbrochen Schwierigkeiten.“ Insgesamt seien über die Jahre hinweg etwa 600 DDR-Bürger für das Projekt auf dem Schwarzen Kontinent gewesen, „in der Hochphase etwa 200 gleichzeitig, inklusive deren Familien“, erinnert er sich.
Das Vorhaben scheiterte schließlich, auch wegen des seit 1976 andauernden, 16 Jahre währenden Bürgerkrieges zwischen der sozialistischen „Mosambikanischen Befreiungsfront“ und dem konservativen, von den USA unterstützten „Nationalen Widerstand“, in dem auch DDR-Bürger ums Leben kamen, sagt Klemm. Im Zuge der deutschen Wiedervereinigung war das Schicksal der Kooperation endgültig besiegelt, doch schon zuvor hatten sich die Beziehungen zwischen beiden Ländern abgekühlt. Dabei hatte die DDR bei der Ausbeutung in Mosambik nicht bei Null angefangen. Mehr als 100 Jahre währt deren Geschichte, die noch unter Regie der portugiesischen Kolonialherren und mit britischer und deutscher Unterstützung ihren Auftakt genommen hat, berichtet der Zeitzeuge. „Unter anderem für die Dampfschifffahrt auf dem Sambesi und den Betrieb der Eisenbahn war der Abbau im Tiefbau interessant.“ Später wurden die Gruben von den privatwirtschaftlichen Betreibern nach wiederholten Unglücken durch die sozialistische Führung verstaatlicht – nach Unruhen mit Toten unter den weißen Fachleuten. Um die Förderung wieder in Gang zu setzen, kamen technisches Personal und Wissenschaftler von Wismut, Steinkohlebergbau und Schwarzer Pumpe ins Land.
Sozialistischer „Kolonialhandel“
Bemerkenswert ist das Resümee, das Dennis Kuck in Anlehnung an eine wissenschaftliche Studie über die Kooperation zieht: „Die Zusammenarbeit war gekennzeichnet durch utopische Großprojekte […]. Klassischem Kolonialhandel nicht unähnlich, lockte der kreditgesicherte Absatz von Anlagen und Geräten, während die DDR-Planungsgruppen die Voraussetzungen für deren Einsatz in Mosambik nur unzureichend berücksichtigten. So fanden viele Lieferungen zwar keine Verwendung, trotzdem belasteten sie den mosambikanischen Kreditrahmen.“
Ein Leben für den Bergbau
Thomas Klemm, Jahrgang 1939, begann im Alter von 13 Jahren eine Lehre zum Bergmann. Der heute 75-Jährige studierte schließlich an der Bergakademie in Freiberg Bergbau und wurde 1974/75 promoviert. Von 1978 bis 1981 ging er nach Mosambik, wo er für die DDR den Aufbau des Steinkohlenbergbaus im Distrikt Moatize (Provinz Tete) leitete. Von 1987 bis April 1990 war er abermals in diesem größten Steinkohlenrevier Afrikas, in dem zuvor bereits unter portugiesischer Kolonialherrschaft im Tagebau gefördert wurde.