Bestellt – getragen – zurückgeschickt

Online-Händ­ler grei­fen bei zu vie­len Rück­sen­dun­gen mit­un­ter zu rigo­ro­sen Metho­den. Doch auch Kun­den sind oft dreist.

CHEMNITZ/DRESDEN. Das Hemd beim Inter­net-Händ­ler bestel­len, dazu Hose oder Jackett – zur Sicher­heit in drei, vier Grö­ßen auf ein­mal, damit eine passt. So sieht der All­tag aus im Online-Geschäft, das ohne Umklei­de­ka­bi­nen aus­kom­men muss – und sorgt für Retouren.

Für Händ­ler sind die Rück­läu­fer teu­er. Von fünf bis 18 Euro je Retou­re bei Bran­chen­mul­ti Ama­zon berich­tet das Por­tal Schnaeppchenfuchs.com – Zah­len, die das Unter­neh­men auf Anfra­ge nicht bestä­tigt. Eine Stu­die des Ibi-Insti­tuts der Uni Regens­burg nennt ein ähn­li­ches Ergeb­nis: Durch­schnitt­lich 20 Euro kos­te Online-Händ­ler die Abwick­lung einer Retou­re, bei Schu­hen und Tex­ti­li­en sei es etwas weniger.

Wie viel es genau ist? Fir­men wie das Ver­sand­haus Otto oder der Inter­net-Schuh- und Mode­händ­ler Zalan­do mau­ern. Auch dem Han­dels­ver­band HDE feh­len deutsch­land­wei­te Zah­len, so Ste­fan Her­tel. Sicher sei nur: Die Retou­ren­quo­te unter­schei­de sich „von Bran­che zu Bran­che und Pro­dukt zu Pro­dukt sehr“. Zalan­do gibt sie als ein­zi­ges der befrag­ten Unter­neh­men preis: Etwa jede zwei­te Bestel­lung sen­den Kun­den zurück, sagt Spre­che­rin Nadi­ne Przybilski.

Ver­bau­cher­schüt­zer: „Recht­lich ist Ama­zon auf der siche­ren Seite“

Da kommt eini­ges zusam­men und kann Fir­men­ge­win­ne schmä­lern – so sehr, dass Online-Ver­kaufs­häu­ser Kun­den­kon­ten sper­ren, wenn Bestel­ler es zu bunt trei­ben. Ama­zon bestä­tigt die­se Pra­xis „bei Über­ein­stim­mung ver­schie­de­ner ele­men­ta­rer Kri­te­ri­en“, sagt Spre­cher Dani­el Käl­i­cke. Grün­de will er mit Ver­weis auf den Daten­schutz nicht nen­nen. Laut „Ber­li­ner Zei­tung“ sol­len „außer­ge­wöhn­lich vie­le bestell­te Arti­kel“, die zurück­ge­sandt wur­den, die Ursa­che sein. Auch häu­fi­ger Umtausch, Anfra­gen nach Preis­nach­läs­sen bei klei­nen Schä­den oder Erstat­tungs­wün­sche gel­ten als Anlass, war­um Pro­fi­le abge­schal­tet wer­den. „Recht­lich ist Ama­zon dabei meist auf der siche­ren Sei­te“, sagt Micha­el Hum­mel von der Ver­brau­cher­zen­tra­le Sach­sen: Kun­den könn­ten bei einer Sper­rung wenig machen, so der Refe­rats­lei­ter Recht, „weil jede Fir­ma frei dar­in ist, mit wem sie Geschäf­te macht“. Oder nicht.

Im Fal­le von Ama­zon wird gar davon berich­tet, dass selbst Pro­fi­le von Fami­li­en­an­ge­hö­ri­gen, Lebens- oder Ehe­part­nern lahm­ge­legt wür­den, die unter glei­cher Adres­se wie ein gesperr­ter Nut­zer regis­triert sind oder das­sel­be Bank­kon­to ange­ben. Auf Unmut stößt dies vor allem dann, wenn Ama­zon den Ver­wand­ten selbst gar nichts vorwirft.

Spre­cher Käl­i­cke bestä­tigt: Gesperrt wer­den auch Pro­fi­le, die Über­ein­stim­mun­gen mit bereits dicht gemach­ten Accounts auf­wei­sen, wenn „es berech­tig­te Grün­de für eine Kon­to­schlie­ßung gibt“. Wel­che das sind? Kei­ne Auskunft.

„Ward­ro­bing“ macht Schule

Dass Kun­den bestell­te Ware so oft zurück­sen­den kön­nen, wie sie wol­len, sei ihr gutes Recht, so Ver­brau­cher­schüt­zer Hum­mel: „Es gibt kein Limit.“ Das führt aller­dings auch zu Miss­brauch. „Ward­ro­bing“ heißt das Phä­no­men in den USA, das auch hier­zu­lan­de prak­ti­ziert wird: Kun­den ordern zum Bei­spiel einen Anzug für eine Fei­er und schi­cken ihn, wenn sie vor­über ist, zurück – getra­gen. Und das wäh­rend der Rück­ga­be­frist – die bei Ama­zon und Otto 30, bei Zalan­do 100 Tage beträgt – ohne etwas zu bezahlen.

Wür­den Händ­ler die Sper­rung von Kon­ten in jedem Ein­zel­fall begrün­den, „mach­ten sie sich recht­lich und in der öffent­li­chen Wahr­neh­mung angreif­bar“, sagt Hum­mel. Sind Nut­zer der Mei­nung, ihr Pro­fil wur­de zu Unrecht gesperrt, sei ihre Chan­ce dann am größ­ten, erfolg­reich dage­gen vor­zu­ge­hen, wenn ihre Rech­te tan­giert sind. Wann das der Fall sein kann, hat das Ober­lan­des­ge­richt Köln im Febru­ar nach einer Kla­ge von Ver­brau­cher­schüt­zern präzisiert.

Dem­nach müs­sen Kun­den zumin­dest auf erwor­be­ne digi­ta­le Inhal­te wie Fil­me, E‑Books, Musik oder Hör­bü­cher auch nach Sper­rung ihres Kon­tos zugrei­fen kön­nen (Akten­zei­chen: OLG Köln 6 U 90/15). Das ermög­licht jetzt auch Ama­zon. Wer sein Kon­to ein­büßt, ohne dass eine der­ar­ti­ge Klau­sel greift, hat nur zwei Mög­lich­kei­ten: ent­we­der künf­tig den Zugang von Ver­wand­ten, Freun­den oder Bekann­ten nut­zen. Oder man ver­sucht, was einem Ber­li­ner laut dem Online­ma­ga­zin „teltarif.de“ kürz­lich gelang: Der Mann hat­te Ama­zon, als sein Kon­to wegen häu­fi­ger Retou­ren und danach das sei­ner des­halb gar nicht in der Kri­tik ste­hen­den Mut­ter gesperrt wor­den war, über Mona­te mit Pro­test­mails über­häuft, juris­ti­sche Schrit­te ange­droht und immer neue Kon­ten eröff­net, bis der Händ­ler die ver­häng­te Sper­re aufhob.

Lässt Umsatz­ent­wick­lung im Online­han­del Spiel­raum für Kulanz?

Damit es so weit nicht kommt, wol­len Online-Händ­ler ihre Kun­den vor der Bestel­lung mög­lichst anschau­lich über ange­bo­te­ne Pro­duk­te infor­mie­ren. Denn, so die Logik dahin­ter, wer einen Arti­kel gut kennt, sen­det ihn sel­te­ner wegen ent­täusch­ter Erwar­tun­gen zurück. Dazu wird eini­ges auf­ge­fah­ren: Ama­zon & Co. wer­ben mit detail­lier­ten Pro­dukt­an­ga­ben, dazu Arti­kel­fo­tos, mit Typen- und Grö­ßen­be­ra­tung oder Kundenbewertungen.

Spiel­raum für Kulanz könn­te die nach wie vor gute Ent­wick­lung der Bran­che hier­zu­lan­de bie­ten: Laut HDE leg­te der Online-Han­del von 1,1 Mil­li­ar­den Euro Umsatz im Jahr 1999 auf knapp 40 Mil­li­ar­den Euro 2015 zu. Die­ses Jahr wer­den noch ein­mal 4,2 Mil­li­ar­den Euro mehr erwartet.

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