Sauber und vegan – aber auch gut?

Auch in Internetshops zu haben: vegane Körperpflege-Produkte und sogar Kondome. Bildschirmfoto: Michael Kunze
Auch in Inter­net­shops zu haben: vega­ne Kör­per­pfle­ge-Pro­duk­te und sogar Kon­do­me. Bild­schirm­fo­to: Micha­el Kunze

Nah­rungs­mit­tel ohne tie­ri­sche Inhalts­stof­fe lie­gen in Deutsch­land im Trend. Auch nam­haf­te Kör­per­pfle­ge­mit­tel-Her­stel­ler drän­gen auf den Markt – mit teils über­ra­schen­den Produkten.

DRESDEN/CHEMNITZ. Zahn­pas­ta und Par­füm, Sei­fe und sogar Kon­do­me: So viel­fäl­tig ist die Aus­wahl tier­frei­er und ohne Tier­ver­su­che her­ge­stell­ter Pro­duk­te mitt­ler­wei­le. Das mag vie­le Kun­den erstau­nen – Caro­lin Fritz­sche hat dafür aber eine ein­fa­che Erklä­rung: „Für vega­ne Kör­per­pfle­ge­ar­ti­kel spricht das Glei­che wie für vega­ne Lebens­mit­tel: Man kauft sie, damit Tie­re nicht lei­den müs­sen, bloß damit wir uns wohl­füh­len oder schön blei­ben“, sagt die Vize-Vor­sit­zen­de des Dres­de­ner Ver­eins Mode­re­co, der Nach­hal­tig­keit för­dern will und öko­lo­gi­sches Bewusstsein.

Die aus dem vogt­län­di­schen Elle­feld stam­men­de Dok­to­ran­din ernährt sich vegan und kauft auch ab und an der­ar­ti­ge Kör­per­pfle­ge­pro­duk­te. Ihr Argu­ment für vega­nes Dusch­bad: „Es geht ja bei Tier­ver­su­chen zur Her­stel­lung kon­ven­tio­nel­ler Pfle­ge­pro­duk­te nicht dar­um, Krank­hei­ten wie Krebs zu hei­len. Die Tie­re lei­den aber.“

Sind jedoch vega­ne Pro­duk­te bes­ser oder schlech­ter als sol­che, die tie­ri­sche Erzeug­nis­se ent­hal­ten? Weder – noch, sagt der Chem­nit­zer Apo­the­ker Tobi­as Lie­bold. Er erklärt dies damit, dass noch immer sel­ten dar­an geforscht wer­de, tier­freie Kör­per­pfle­ge­pro­duk­te wei­ter­zu­ent­wi­ckeln. Zur­zeit ste­he im Vor­der­grund, pflanz­li­chen Ersatz zu fin­den für bis­her ver­wen­de­te tie­ri­sche Inhal­te. Hat das Fol­gen für die Wirksamkeit?

Wie jemand auf eine Sub­stanz reagiert, hän­ge ab von Stoff­art und Kon­zen­tra­ti­on. Auch auf rei­ner Pflan­zen- oder syn­the­ti­scher Basis erzeug­te Bestand­tei­le wirk­ten, erklärt Lie­bold. Mehr Vor­sicht hält er bei der Fra­ge gebo­ten, wie ver­träg­lich vega­ne Pfle­ge­pro­duk­te sind. Da müs­se noch mehr geforscht wer­den, denn die in kon­ven­tio­nel­len Fabri­ka­ten ent­hal­te­nen tie­ri­schen Stof­fe sei­en – anders als vie­le erst vor Kur­zem ein­ge­führ­te pflanz­li­che Sub­sti­tu­te – oft­mals seit Jah­ren im Ein­satz. Das heißt auch: Sie sind bes­ser auf Gefah­ren wie all­er­gie­aus­lö­sen­de Inhal­te hin unter­sucht. Ob tie­ri­sche Stof­fe in jedem Fall durch eine pflanz­li­che oder künst­lich erzeug­te Alter­na­ti­ve aus­ge­tauscht wer­den kön­nen, ist für ihn nicht das Problem.

Auch jen­seits von Pfle­ge­pro­duk­ten kennt er vie­le Bei­spie­le, bei denen vor­mals ver­wen­de­te tie­ri­sche Sub­stan­zen durch nicht tie­ri­sche ersetzt wer­den konn­ten – etwa mit bio­che­mi­schen Metho­den her­ge­stell­ter Insu­lin­er­satz. Oder Nah­rungs­er­gän­zungs­mit­tel wie Vit­amin­prä­pa­ra­te, in denen nicht tie­ri­sche Stof­fe Gela­ti­ne erset­zen. Auch für See­fisch­öl, das wegen mehr­fach unge­sät­tig­ter Fett­säu­ren tra­di­tio­nell gegen erhöh­te Blut­fett­wer­te ein­ge­setzt wird, sei­en inzwi­schen Äqui­va­len­te ver­füg­bar, die aus Algen gewon­nen werden.

Frau­en mehr inter­es­siert als Männer

Der Markt für vega­ne Pro­duk­te wächst jeden­falls rasant, die Anzahl der Vega­ner in Deutsch­land auch: 1,3 Mil­lio­nen sol­len es mitt­ler­wei­le sein, drei­mal so vie­le wie 2011, sagt Chris­ti­an Vage­des, Vor­sit­zen­der der Vega­nen Gesell­schaft Deutsch­land. Die Dro­ge­rie­markt­ket­te dm nann­te auf ihrer Inter­net­sei­te im Mai 2015 eine Anzahl von 900 000. Auch wenn die Zah­len aus­ein­an­der­klaf­fen: Auf alle Fäl­le sind es mehr als 80 000. Von die­ser Anzahl war 2008 in der Ver­zehr-Stu­die die Rede, die das Bun­des­ver­brau­cher­schutz­mi­nis­te­ri­um in Auf­trag gege­ben hatte.

Daten des Markt­for­schungs­un­ter­neh­mens Niel­sen zum deut­schen Lebens­mit­tel­markt zei­gen zudem: Seit 2011 soll allein der Anteil für vega­ne Nah­rung am Gesamt­markt im zwei­stel­li­gen Pro­zent­be­reich gewach­sen sein – und wei­ter ent­spre­chend wach­sen. Eine Ent­wick­lung wie seit dem Auf­kom­men von Bio-Pro­duk­ten, die in der Lebens­mit­tel­bran­che längst ein wich­ti­ger Umsatz­trei­ber sind? Immer­hin zehn Pro­zent aller Erzeug­nis­se, die neu auf dem deut­schen Markt ein­ge­führt wer­den, sei­en mitt­ler­wei­le als vegan aus­ge­wie­sen, sagt Vage­des, zusätz­lich sechs Pro­zent als vege­ta­risch. 2013 waren nur drei Pro­zent als vegan gekenn­zeich­net. Ob dahin­ter vor­ran­gig eine Mar­ke­ting­stra­te­gie steckt – ohne­hin vega­ne Pro­duk­te extra als sol­che aus­zu­wei­sen, da sie „in“ sind –, sei dahin­ge­stellt. Gestützt wer­den die Daten von wei­te­ren Niel­sen-Erhe­bun­gen, denen zufol­ge in Deutsch­land der Wert ver­kauf­ter vega­ner und vege­ta­ri­scher Erzeug­nis­se von Mai 2014 bin­nen eines Jah­res von 230 auf 289 Mil­lio­nen Euro gestie­gen ist.

Für Adel­heid Nowitz­ky, Vor­stands­mit­glied der VG Ver­brau­cher­ge­mein­schaft für umwelt­ge­recht erzeug­te Pro­duk­te, die vier Bio­märk­te und einen Natur­wa­ren­la­den in Dres­den betreibt, kommt der Trend nicht über­ra­schend. „Bei uns hat sich allein die Anzahl inhalt­li­cher Nach­fra­gen zu vega­ner Kör­per­pfle­ge in den ver­gan­ge­nen acht Jah­ren etwa ver­dop­pelt.“ Vor allem jün­ge­re Kun­den sei­en inter­es­siert, Frau­en mehr als Män­ner. Vie­le pro­bier­ten zunächst vega­ne Lebens­mit­tel aus und kauf­ten spä­ter auch ent­spre­chen­de Kör­per­pfle­ge­pro­duk­te, sagt Nowitz­ky. Das Ange­bot der VG reicht dabei im Natur­wa­ren­la­den Dres­den-Mit­te von Her­stel­lern oder Mar­ken wie Lenz oder Lave­ra bis Logo­na oder Weleda.

Nicht immer sind vega­ne Erzeug­nis­se aber leicht iden­ti­fi­zier­bar. Meist ver­mer­ken Her­stel­ler zwar „vegan“ auf der Ver­pa­ckung. Teils ist das auch hier­zu­lan­de ver­brei­te­te V- oder Blu­men­sym­bol der „Vegan Socie­ty Eng­land“ abge­bil­det. „Doch im Zwei­fel soll­ten Kun­den nach­fra­gen“, rät Nowitz­ky. Die Ver­mu­tung, dass vega­ne Pro­duk­te durch­weg teu­rer sei­en als kon­ven­tio­nel­le, kann sie nicht bestä­ti­gen. „Anders ist es oft, wenn sie zusätz­lich Bio-Qua­li­tät auf­wei­sen“, sagt Mode­re­co-Vize Fritzsche.

Ob teu­rer oder nicht: Dass der­ar­ti­ge Pfle­ge­pro­duk­te den Sprung aus der Nische geschafft haben, fällt spä­tes­tens auf, seit nam­haf­te Kos­me­tik­her­stel­ler mit eige­nen Ange­bo­ten in den Markt drän­gen. CD etwa brach­te kürz­lich ein vega­nes Män­ner-Deo her­aus. Auch für dm wird das Geschäft wich­ti­ger: Davon zeu­gen die Kör­per­pfle­ge­mar­ke Alver­de und die Koope­ra­ti­on mit der erst vor fünf Jah­ren gegrün­de­ten Super­markt­ket­te Veganz – mit einem Markt auch in Leip­zig ver­tre­ten –, deren Pro­duk­te die Bran­chen­grö­ße seit die­sem Jahr in Hun­der­ten Filia­len anbietet.

Schä­fer­stünd­chen ohne Kuhmilch

Wenig über­ra­schend: Auch im Inter­net auf Por­ta­len wie www.vegane-pflege.de blüht das Geschäft – nicht nur mit Deo oder Kör­per­lo­tion. Selbst vega­ne Tat­too-Pfle­ge oder Pee­lings ste­hen in den vir­tu­el­len Regalen.

Und neu­er­dings auch Kon­do­me. Anna Schaaf von vegane-pflege.de im baden-würt­tem­ber­gi­schen Neckar­ge­münd will zwar nicht sagen, wie gut die sich ver­kau­fen – es sei­en aber „vie­le, und die Nach­fra­ge steigt ste­tig.“ Tier­frei her­ge­stell­te Prä­ser­va­ti­ve wer­den aus Natur­kau­tschu­kla­tex und – das ist das Ent­schei­den­de – ohne den Milch-Pro­tein­an­teil Kasein hergestellt.

Wäh­rend Deutsch­lands absatz­stärks­ter Kon­dom­her­stel­ler Durex und Wett­be­wer­ber Mapa („Bil­ly Boy“) dar­auf nicht ver­zich­ten, um die Elas­ti­zi­tät sicher­zu­stel­len, wie die Spre­cher bei­der Häu­ser mit­tei­len, hält Schaaf die von ihr ange­bo­te­nen vega­nen Kon­do­me des Her­stel­lers ESP für genau­so gut. Teu­rer sind sie auch kaum: Acht Durex-Clas­sic-Kon­do­me sind für 10,39 Euro zu haben. Drei ESP-Prä­ser­va­ti­ve kos­ten bei ihr 2,50 bis 4 Euro – je nach Grö­ße, Far­be, Wand­stär­ke. Für Schä­fer­stünd­chen ohne Kuhmilch.

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