Wien, 5. August 2017

Die Tasse vom Wiener Naschmarkt. Foto: Michael Kunze
Die Tas­se vom Wie­ner Nasch­markt. Foto: Micha­el Kunze

Der Wie­ner Nasch­markt ist ein Tum­mel­platz für die, die Bio­na­de in aus­ge­fal­le­nen Geschmacks­rich­tun­gen suchen, das bes­te Hum­mus der Stadt, Süß­kar­tof­feln und rote Oli­ven, Tür­ki­schen Honig, Scha­len­tie­re, Cham­pa­gner. Der Claim von Wohl­stands­ju­gend, Genuss-Tou­ris­ten, Fla­neu­ren. Auch ich saß heu­te kurz in einem der Hot­spots der Pre­mi­um-Fress­mei­le, bei „Neni“, trotz Mar­ki­se in brül­len­der Hit­ze, und lösch­te mei­nen Durst mit einem Eis­tee. „Selbst­ge­macht“, beteu­er­te die Bedie­nung. Gefühlt im Minu­ten­takt boten vom Wege aus jun­ge Män­ner mit mal fra­gen­dem Blick, dann zudring­li­cher Stim­me Zei­tun­gen zum Kauf an. Ent­nervt wink­te ich ab, ein ums ande­re Mal. Bis ein Herr kam mit Ruck­sack in der einen, in der andern Hand aber einem lee­ren Papp­kaf­fee­be­cher, mit dem er um eine Spen­de bat. Sieb­zig, acht­zig Jah­re war er alt und trug am Hals weit­hin sicht­bar einen nach wie vor offe­nen Luft­röh­ren­schnitt. Der mit mir reist, steck­te ihm einen Geld­schein zu. Wor­auf der Herr wort­los sei­ne Tasche abstell­te auf den Stuhl am frei­en Nach­bar­tisch, sie öff­ne­te und dar­aus eine alte, ver­schmutz­te, mit Blu­men­mo­ti­ven bemal­te Kaf­fee­tas­se her­vor­hol­te – „Kah­la“ stand auf der Unter­sei­te und ver­wies auf ihre Her­kunft von dem thü­rin­gi­schen Tra­di­ti­ons­por­zel­lan­her­stel­ler. Wie sie wohl an die Donau gekom­men war? Ich wisch­te den Gedan­ken bei­sei­te. Der Mann woll­te die Tas­se mei­nem Weg­ge­fähr­ten über­rei­chen, zum Dank – dabei, wie zur Begrün­dung auf sei­nen Hals wei­send, in dem Sin­ne: Mir nützt sie ohne­hin nichts mehr. Ich kann nur noch mit Schmer­zen trin­ken. Oder gar nicht? Mein Beglei­ter wink­te erst ab, über­for­dert von der uner­war­te­ten Ges­te, wäh­rend ich ihm bedeu­te­te: Nimm sie, nimm sie an! Als Zei­chen. Auf dem Wie­ner Naschmarkt.

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