Süßer Westen

Verführerisch: Schaufenster der Aachener Printenbäckerei Nobis. Foto: Michael Kunze
Ver­füh­re­risch: Schau­fens­ter der Aache­ner Prin­ten­bä­cke­rei Nobis. Foto: Micha­el Kunze

Köln wie Aachen, nur eine hal­be Zug­stun­de von­ein­an­der ent­fernt, bie­ten zu jeder Jah­res­zeit gro­ße Dome, Geschich­te, Kul­tur. Jeder weiß das. Weni­ger bekannt sind die kuli­na­ri­schen Sei­ten bei­der Städ­te. Eine Entdeckungstour.

KÖLN/AACHEN. Wer nach Köln fährt, hat Deutsch­lands größ­te Kathe­dra­le auf der Agen­da oder schip­pert über den Rhein. Ist im Muse­um Lud­wig aus auf Wer­ke von Beuys bis War­hol. Geht zum Kar­ne­val oder zu Fari­na, in das Geschäft der welt­weit ältes­ten Par­fum-Fabrik. Oder er ver­bin­det man­ches davon mit Abste­chern zu süßen Ver­su­chun­gen, die neben Köln auch das nahe Aachen bereithält.

Zum Auf­takt in ein ver­län­ger­tes Wochen­en­de taugt ein Abste­cher ins Köl­ner Scho­ko­la­den­mu­se­um beson­ders gut. Es wur­de 1993 im Rhein­au­ha­fen eröff­net und war ein Geschenk des dama­li­gen Stoll­werck-Auf­sichts­rats­chefs Hans Imhoff an die Stadt. Hier erfährt man eine Men­ge über die wich­tigs­ten Anbau­ge­bie­te des für die Scho­ko­la­den­her­stel­lung unent­behr­li­chen Kakaos und die Län­der, in denen er den Äqua­tor ent­lang gedeiht. Frisch geern­tet, ist Kakao wegen vie­ler Bit­ter­stof­fe aller­dings noch unge­nieß­bar, erklärt Muse­ums­füh­re­rin Hei­de Matz.

Allein ein Zehn­tel des jähr­lich welt­weit her­ge­stell­ten Kakaos wird, wie sie berich­tet, in Deutsch­land ver­ar­bei­tet. Ver­zehrt wer­den hier­zu­lan­de im Schnitt 10,6 Kilo­gramm pro Kopf und Jahr. „Das ist Platz 2.“ Den Azte­ken habe Kakao gar als Wäh­rung gedient: zehn Boh­nen für ein Kanin­chen, eine Boh­ne je Toma­te. Prä­sen­tiert wird zudem eine umfang­rei­che Samm­lung his­to­ri­scher Scho­ko­la­den­au­to­ma­ten, die man sich wie sol­che für Ziga­ret­ten vor­stel­len muss – nur präch­ti­ger. Vie­le davon stam­men aus Dresden.

Als eine Tafel Scho­ko­la­de umge­rech­net noch 40 Euro kostete

Je Tafel muss­te um 1900 umge­rech­net etwa 40 Euro hin­le­gen, wer der süßen Ver­su­chung erlag. Scho­ko­la­de als Luxus­gut. Wem bei all den Infor­ma­tio­nen der Sinn danach steht, selbst zu pro­bie­ren, der kann schon im Muse­um von der gerös­te­ten Kakao­boh­ne über Kakao­but­ter, wei­ßer, ohne Kakao her­ge­stell­ter Scho­ko­la­de über Milch­scho­ko­la­de bis zur bit­te­ren „Herren“-Tafel wäh­rend der Füh­rung kosten.

Stellt sich der Zucker­schock ein, lockt als Gegen­pro­gramm ein Abste­cher in die ältes­te Senf­müh­le Deutsch­lands, „Anno 1810“, gleich gegen­über, sagt Stadt­füh­re­rin Moni­ka Bries­korn. Schließ­lich fuß­lahm, klingt der Abend in einem Gast­haus aus – etwa in der Kölsch-Tra­di­ti­ons­braue­rei zur Malz­müh­le am Heu­markt. Es geht aber auch etwas extra­va­gan­ter und dabei nicht weni­ger läs­sig: in der zwölf­ten Eta­ge des „Pull­man Cologne“-Hotels. Die Design-Bar dort bie­tet unver­stell­ten Dom-Blick. DJs legen auf, Cock­tails wer­den mit Par­fum-Essen­zen ver­fei­nert. In der Kar­ne­vals­sai­son logiert im Haus das Köl­ner Drei­ge­stirn, sagt Hotel­chef Henk van Oostrum.

Wem der Tru­bel zu viel ist, der fährt die 85 Kilo­me­ter bis zur bel­gi­schen Gren­ze. Eine hal­be Stun­de dau­ert das mit dem ICE – um aus­zu­stei­gen in Bad Aachen, auch wenn die Stadt mit dem Zusatz mitt­ler­wei­le fast unbe­kannt ist. Dabei ist die Karls­stadt Kur­ort. Das spürt, wer im „Quel­len­hof“ absteigt, dem nicht von unge­fähr am weit­läu­fi­gen Kur­park gele­ge­nen, ers­ten Haus der Stadt. Von hier sind es kaum mehr als zehn Geh­mi­nu­ten zu Dom, Rat­haus und den Meis­tern der Prin­ten-Back­kunst, für die die Stadt so viel Lor­beer für sich gel­tend macht wie Nürn­berg für Leb­ku­chen. „Eigent­lich“, sagt Stadt­füh­rer Björn Wick­mann, „han­delt es sich da wie dort um nichts anderes.“

Die Prin­ten ver­dank­ten ihren Namen dem Ein­pres­sen des Teigs in die Back­for­men. Wie eine Prin­te aus­sieht, schmeckt, wor­aus sie besteht, ist von Bäcke­rei zu Bäcke­rei ver­schie­den. Fest steht, dass man vom Geschäft mit der Lecke­rei, die hier ganz­jäh­rig, nicht nur um Weih­nach­ten ver­kauft wird, gut leben kann. Die Fir­ma Klein, gegrün­det 1912, hat sich gar aus­schließ­lich auf deren Her­stel­lung ver­legt: klei­ne Lai­be mit Orangen‑, Bit­ter- oder wei­ßer Scho­ko­la­de über­zo­gen oder Man­deln bestückt – das Ange­bot ist vielfältig.

Prin­ten = Lebkuchen?

Zu den Urge­stei­nen der Zunft zäh­len die Bäcke­rei­en Nobis und Lam­bertz. Dazu gesel­len sich klei­ne­re Häu­ser wie das von Leo van den Dae­le im Jah­re 1890 gegrün­de­te. Am bes­ten kos­tet man sich von einem zum andern. Was drin ist in den Prin­ten vari­iert je nach Rezept. Bei Klein wird im Schau­fens­ter auf Kori­an­der ver­wie­sen, Nel­ken, Kan­dis, dunk­les Wei­zen­mehl und Rüben­si­rup, Farin­zu­cker, Zimt, Anis. Geheim ist das Mischungsverhältnis.

Micha­el Nobis, Chef der gleich­na­mi­gen und fast 160 Jah­re alten Bäcke­rei, weist zudem auf die Rol­le des Zuckers hin: „Min­des­tens 50 Pro­zent einer Prin­te bestehen aus ver­schie­de­nen Sor­ten. Das ist auch ein Unter­schied zu den Nürn­ber­gern“, sagt er. Die haben weni­ger Zucker, auch kei­nen Kan­dis. Ob eine Prin­te hart ist oder nicht, sei kein Qua­li­täts­merk­mal. Die Aache­ner kom­men jedoch, anders als die Nürn­ber­ger, ohne Obla­ten aus, da der Teig fes­ter ist. Unter­schie­den wird im Drei­län­der­eck zwi­schen der – klas­si­schen – Kräu­ter- und der Weich­prin­te; letz­te­re wird nach der Her­stel­lung feuch­tem Kli­ma aus­ge­setzt und dann zum Bei­spiel mit Scho­ko­la­de versiegelt.

Wer sich rund- und satt­ge­fut­tert hat, kann im „Quel­len­hof“ aus­span­nen. Frank­reichs frü­he­rer Prä­si­dent Jac­ques Chi­rac und Alt­kanz­ler Ger­hard Schrö­der, sagt Hotel­chef Wal­ter Hubel, haben sich wäh­rend ihrer Amts­zeit im Haus immer wie­der auf etwa hal­bem Wege zwi­schen Paris und Ber­lin zu Gesprä­chen getrof­fen. Ob dabei Prin­ten ver­zehrt wur­den, ist nicht überliefert.

Die Recher­che für die­sen Bei­trag wur­de durch die Pull­man-Hotel­grup­pe unterstützt.

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