Die südwestsächsische Stadt gehört zu den Orten in Deutschland, in denen Klagen über das Entstehen einer vermeintlichen Immobilienblase nicht zu hören sind.
CHEMNITZ/FRANKFURT. Während in vielen westdeutschen Städten Mieten und Wohnungspreise zuletzt deutlich anzogen, sieht die Lage in den neuen Ländern häufig ganz anders aus. Die 243 000 Einwohner zählende südwestsächsische Stadt Chemnitz – nach Berlin, Leipzig und Dresden immerhin die viertgrößte Stadt in den neuen Ländern – ist „kein Beispiel für signifikante Mietsteigerungen“, wie Ulrich Weiser vom Marktforschungsunternehmen Chempirica feststellt. 30 000 Wohnungen stünden in der Stadt leer. „Mindestens ein Drittel davon befindet sich in baufälligem Zustand, der keine Vermietung zulässt“, schätzt er.
Selten scheren besonders gute Lagen nach oben aus, wie das Stadtzentrum oder das Gründerzeitviertel Kaßberg. „Wer mehr als 10 Euro je Quadratmeter zahlt – auch in Toplagen -, dem ist nicht zu helfen“, resümiert Weiser. Das Gros der Mieten bewege sich zwischen 4,70 Euro und 5,50 Euro – je nach Lage und Sanierungsstand. Durch weitere Sanierungsmaßnahmen wächst das Angebot sogar und drückt auf die Preise. „Die Rückbauwelle ist erst mal vorbei“, fügt Weiser hinzu. Verschärft wird die Lage auf dem Wohnungsmarkt durch die drastisch alternde Stadtbevölkerung und niedrige Geburtenzahlen. Obwohl Chemnitz als industrielles Herz Sachsens und Universitätsstandort zuletzt deutliche Wanderungsgewinne verzeichnen konnte, sinkt die Einwohnerzahl. Für die Zukunft rechnet Weiser mit weitgehend konstanten Preisen, eine Immobilienblase fürchtet niemand.
Auf dem Markt für Eigentumswohnungen sieht die Lage ähnlich aus: die Preise liegen unter dem bundesweiten Durchschnitt. „Chemnitz ist eine Prinzessin, die noch wachgeküsst werden muss“, sagt Karl-Heinz Weiss, Regionalvorsitzender Mitte-Ost vom Immobilienverband Deutschland (IVD). „Die Stadt ist kaum überbewertet. Investoren beobachten sie deshalb genau, machen aber Kaufentscheidungen vom Mietsteigerungspotential abhängig. Das ist aktuell eher moderat.“ Weil aber die Mieten in den Oberzentren moderat stiegen, schlage sich dies nach langer Stagnation auch auf die Kaufpreise nieder. Als Gründe für die Preisanstiege nennt Weiss die Angst vor einer Inflation und das Bedürfnis vieler Menschen, wieder in die Nähe des Arbeitsorts zu ziehen, der meist in den Großstädten liegt. Insgesamt betrachtet sei man jedoch vom Preisniveau der neunziger Jahre noch weit entfernt.
Erforderlich sind nach Ansicht des Verbandsrepräsentanten weiterhin deutliche Signale für die Entwicklung des Standorts, bis hin zu weiteren Gewerbe- und Industrieansiedlungen in Verbindung mit den Kapazitäten von Wissenschaft und Forschung. Laut Erhebungen des IVD liegt der Quadratmeterpreis im Chemnitzer Bestand je nach Lage und Ausstattung bei durchschnittlich 450 bis 850 Euro für eine Dreizimmerwohnung – bei Neubauten reicht die Spanne von 980 bis 1400 Euro. In guten Lagen wie im Stadtteil Adelsberg, in Rabenstein oder im Schönauer Villenviertel seien deutliche Abweichungen nach oben möglich. Zuletzt seien die Preise entweder stabil geblieben oder sogar gestiegen, schreiben die Marktbeobachter des IVD in ihrem Immobilienpreisspiegel 2011.
Für die nächsten fünf Jahre geht der IVD von einer guten Entwicklung in Chemnitz aus – obwohl kürzlich ein Kaufpreisvergleich des Internetanbieters Immowelt ergab, dass die Quadratmeterpreise für Eigentumswohnungen in Chemnitz seit 2006 um durchschnittlich 16 Prozent auf 851 Euro gesunken seien. Dies entspreche 55 Prozent des Durchschnitts der 80 größten deutschen Städte. Wohneigentum sei demzufolge nur in Gelsenkirchen, Salzgitter und Bremerhaven noch günstiger zu erwerben als in Chemnitz.
Preissprünge, wie sie für die sächsische Landeshauptstadt Dresden festgestellt werden können, in der schon in wenigen Jahren der vermietbare Wohnraum ausgeschöpft sein könnte, sind in Chemnitz folglich nicht zu erwarten. Doch auch hier seien, besonders bei großen Wohnungen, je nach Lage und Ausstattung signifikante Kauf- und Mietpreiserhöhungen feststellbar, sagt der IVD-Regionalvorsitzende. Für die meisten Regionen in Sachsen und somit auch für Chemnitz gilt laut Verband, dass die „Immobilie zunehmend als sichere Kapitalanlage“ geschätzt werde.