Darüber hinaus sei es China nicht gelungen, belastbare Freundschaftsbande zu anderen Ländern zu knüpfen – es ließe sich einschieben: so wie sie zwischen Deutschland und seinen Nachbarn bestehen, besonders zu Frankreich, den Benelux-Ländern, Österreich. China kennt in seiner Liga nur gegenüber Russland engere Bindungen, die traditionell aber nie spannungsarm waren. Darüber täuscht auch die Kooperation im UN-Sicherheitsrat nicht hinweg. Vorbehaltlos als Partner und Verbündeten oder gar Freund betrachtet kaum ein Land China, weder Japan, mit dem es in Fehde liegt (für die die Ursachen auf beiden Seiten zu suchen sind), oder Europa, auch nicht der große asiatische Wettbewerber Indien, noch die direkten südostasiatischen Nachbarn, die seit jeher die chinesische Dominanz fürchten. Niemand kann sich China sicher sein. In Betracht ziehen jedoch, ließen sich Shambaughs Ausführungen weiterspinnen, muss das Land heute politisch und ökonomisch jeder, militärisch gilt dies immerhin für den ost- und südostasiatischen Raum. Nicht nur die Regierung, sondern auch immer mehr Bürger des Landes wissen um die politische Stellung Chinas, worauf sie gern mit rasselnden Säbeln aufmerksam machen. Dennoch macht Shambaugh eine „Diskrepanz zwischen dem diplomatischen Aktionismus und der starken Zurückhaltung […] bei der Bewältigung globaler Probleme“ aus, wie Jürgen Kahl in einer Besprechung des Buches für die „Neue Zürcher Zeitung“ schrieb. China gelte als „zögerlich, risikoscheu und in sehr engem Sinne vom Eigennutz bestimmt“, gibt Kahl Shambaughs Urteil wieder. Groß sei die Gefahr, die vom „Land der Mitte“ ausgehe, dann, bekundet der Politologe, wenn es überschätzt werde oder sich selbst überschätze. Mit Ratschlägen für den Westen, wie mit China umzugehen sei, hält er sich indes zurück. Die Frage nach der Ursache dafür, die Kahl aufwirft, beantwortet dieser sich gleich selbst mit Bezug auf den Untertitel der Studie: „Das mag daran liegen, dass Shambaugh sonst einräumen müsste, dass es China weltweit mit Großmächten zu tun hat, die allesamt selbst nur noch als ‚partial powers‘ in Erscheinung treten.“ Die Gewichte verschieben sich. Dennoch wäre es zu früh, dem Niedergang des Westens und seiner Vorreiterrolle in Amerika das Wort zu reden.
Dresden, 29. Dezember 2013
Gehypt wird China nicht erst seit Monaten, sondern Jahren – von westlichen Medien, Politikern auf der ganzen Welt und von Unternehmen sowieso. Es stimmt auch: Das Land hat einen beispiellosen Aufholprozess gegenüber dem Westen zurückgelegt – vor allem unter ökonomischen Gesichtspunkten. Denn kulturell anziehend und interessant war es auch in der Zeit des politischen und wirtschaftlichen Niedergangs. Heute zeugen Schießpulver und Porzellan, die Große Mauer oder die Terrakotta-Armee höchstens in historischen Betrachtungen von der Bedeutung des Landes, während die, die sich mit der Gegenwart beschäftigen, auf die rasante technische und wirtschaftliche Entwicklung schauen, die seit einigen Jahren von einem gehörigen politischen Selbstbewusstsein flankiert wird. Inwieweit es begründet ist, wird die Zukunft zeigen. Der amerikanische Politologe David Shambaugh hat jedenfalls in seiner neuen Studie „China Goes Global. The Partial Power“, erschienen bei Oxford University Press, vorderhand Zweifel angemeldet: China sei keine Weltmacht, auch wenn es Boden gutgemacht habe; der öffentlich vertretene Anspruch decke sich, wenigstens bislang, nicht mit der recht beschränkten militärischen und diplomatischen Potenz. Auch unter ökonomischen Gesichtspunkten bestünden Defizite: Die großen Unternehmen des Landes lägen in puncto Internationalisierung ihrer Belegschaften und Höhe der Auslandsinvestitionen nach wie vor abgeschlagen hinter westlicher Konkurrenz.