![Für den Arzt und Gulag-Insassen Wilhelm Starlinger lag China in den fünfziger Jahren zwar zunächst einmal "hinter Russland", worauf auch der Titel seines Buches hinwies. Dass das Land schon damals dabei war, sich aus dieser Randlage herauszuarbeiten, war Starlinger im Gegensatz zu vielen seiner Zeitgenossen aber nicht verborgen geblieben: "Die Zeit geht heute schnell - [...] auch [...] im Morgenland, seit China sich entschloß, nicht mehr Jahrhunderte zu meditieren, sondern in Jahren und Jahrzehnten zielbewußt zu handeln!" Foto: Michael Kunze.](http://michael-kunze.net/wp-content/uploads/2013/12/IMG_6074a-300x289.jpg)
Darüber hinaus sei es China nicht gelungen, belastbare Freundschaftsbande zu anderen Ländern zu knüpfen – es ließe sich einschieben: so wie sie zwischen Deutschland und seinen Nachbarn bestehen, besonders zu Frankreich, den Benelux-Ländern, Österreich. China kennt in seiner Liga nur gegenüber Russland engere Bindungen, die traditionell aber nie spannungsarm waren. Darüber täuscht auch die Kooperation im UN-Sicherheitsrat nicht hinweg. Vorbehaltlos als Partner und Verbündeten oder gar Freund betrachtet kaum ein Land China, weder Japan, mit dem es in Fehde liegt (für die die Ursachen auf beiden Seiten zu suchen sind), oder Europa, auch nicht der große asiatische Wettbewerber Indien, noch die direkten südostasiatischen Nachbarn, die seit jeher die chinesische Dominanz fürchten. Niemand kann sich China sicher sein. In Betracht ziehen jedoch, ließen sich Shambaughs Ausführungen weiterspinnen, muss das Land heute politisch und ökonomisch jeder, militärisch gilt dies immerhin für den ost- und südostasiatischen Raum. Nicht nur die Regierung, sondern auch immer mehr Bürger des Landes wissen um die politische Stellung Chinas, worauf sie gern mit rasselnden Säbeln aufmerksam machen. Dennoch macht Shambaugh eine „Diskrepanz zwischen dem diplomatischen Aktionismus und der starken Zurückhaltung […] bei der Bewältigung globaler Probleme“ aus, wie Jürgen Kahl in einer Besprechung des Buches für die „Neue Zürcher Zeitung“ schrieb. China gelte als „zögerlich, risikoscheu und in sehr engem Sinne vom Eigennutz bestimmt“, gibt Kahl Shambaughs Urteil wieder. Groß sei die Gefahr, die vom „Land der Mitte“ ausgehe, dann, bekundet der Politologe, wenn es überschätzt werde oder sich selbst überschätze. Mit Ratschlägen für den Westen, wie mit China umzugehen sei, hält er sich indes zurück. Die Frage nach der Ursache dafür, die Kahl aufwirft, beantwortet dieser sich gleich selbst mit Bezug auf den Untertitel der Studie: „Das mag daran liegen, dass Shambaugh sonst einräumen müsste, dass es China weltweit mit Großmächten zu tun hat, die allesamt selbst nur noch als ‚partial powers‘ in Erscheinung treten.“ Die Gewichte verschieben sich. Dennoch wäre es zu früh, dem Niedergang des Westens und seiner Vorreiterrolle in Amerika das Wort zu reden.