Seit einer Woche ist Ludger Kauder der neue katholische Pfarrer für Werdau, Crimmitschau und Fraureuth.
WERDAU. Ludger Kauder kommt zwar nicht auf leisen Sohlen, dafür aber schnell zum Punkt. Etwa wenn der neue katholische Pfarrer für Werdau, Crimmitschau und die umliegenden Dörfer Sätze sagt wie: „Wir müssen offen für alle sein – auch auf die Gefahr hin, dass dann irgendwer meint, es regnet rein oder man ist nicht ganz dicht.“ Der 51-Jährige muss es wissen. Denn zu seinen früheren Schäfchen der vorherigen Pfarrei in Riesa gehörten mit Holger Apfel, einst NPD-Landesvorsitzender, und seiner Frau auch mindestens zwei dunkelbraune. Doch das Paar gewissermaßen aus der Kirche zu werfen, kam für den Pfarrer nie infrage: „Dass wir die NPD beschissen finden, wissen wir“, sagte er vor Jahren in Don-Camillo-Manier einer Zeitung. „Dass wir den Apfel dulden müssen, wissen wir aber auch.“ So ist das in der Kirche, die Sünder nicht ab‑, sondern ihnen den Weg weisen soll.
Eigentlich aber stört Kauder das Thema – nicht weil er ihm ausweichen will. Doch die Causa Apfel ist nicht mehr in seiner Obhut. Voriges Jahr ist der Ex-Politiker nach Mallorca ausgewandert. Kauder wiederum, der bis 1990 nach altsprachlichen Kursen in Schöneiche katholische Theologie in Erfurt studierte, würde man allein mit dem Verweis auf den Umgang mit den früheren Problemschafen nicht gerecht. Der Pfarrer spricht lieber erst einmal – gar nicht. Schaut stattdessen denjenigen eindringlich an, der da um ein Gespräch bittet, kaum dass der Priester auch nur seine Koffer ausgepackt hat. Um den Gast dann verbal nicht eben zimperlich zu kitzeln mit einem „Ich habe nur 20 Minuten“ – als Willkommensgruß.
Dann aber hört er zu, wiegt bei mancher Frage bedächtig den Kopf und sagt schließlich, er brauche noch Zeit – um sich einzufinden am neuen Ort. Er bittet um Offenheit füreinander wie auch um Verständnis dafür, dass er sich schwertue mit Menschen, die ihr Handeln allein damit begründeten, dass etwas „schon immer so war“. Bis auf Weiteres sei er vorerst damit befasst, „Informationen aufzusaugen, zu schauen, wie was funktioniert, wer wer ist“ – das Übliche also bei Ortswechseln, unabhängig von der Profession. Für Kauder ist es mittlerweile der fünfte nach der Priesterweihe 1992 in Dresden, Kaplansjahren in Glauchau und Zittau bis 1999, der ersten Pfarrstelle im ostsächsischen Leutersdorf und den vergangenen neun Jahren in Riesa.
Eine Schonzeit gönnte sich der gebürtige Crimmitschauer, der im thüringischen Gößnitz aufwuchs, in seiner ersten Woche in der Region nicht: Er hat die Heilige Messe gelesen, sich mit Senioren getroffen, Religionsunterricht erteilt. Bei letzterem sei den jungen Leuten zuerst „das viel neuere Handy“ aufgefallen, das er im Vergleich zu Vorgänger Michael Gehrke bei sich trage. Doch dabei wird es wohl nicht bleiben; jeder Mensch ist anders. Auf den eher zurückhaltenden Gehrke, der eine Pfarrei in Dresden übernommen hat, folgt mit Kauder eine Art Don Camillo – lange lässt ihn der Vergleich schmunzeln: Einmal ist er sehr direkt, anders als man sich einen katholischen Priester landläufig vorstellt, ziemlich schlagfertig auch, dann wieder ungemein einfühlsam, liebenswürdig.
Vielleicht ist das keine schlechte Voraussetzung für eine katholische Kirche, die zwar in den Großstadtpfarreien Leipzigs oder Dresdens zulegt, auf dem Lande aber zusammenschnurrt. Kauder hält denn auch die aktuelle Lage mit jener Zeit vor den Weltkriegen für vergleichbar, die viele katholische Flüchtlinge nach Sachsen brachten: Heute gibt es wieder weniger Katholiken als in den 50er‑, 60er-Jahren, auch weniger Priester – und die müssen wie einst große Entfer- nungen zurücklegen. Dabei sei das Areal, das Kauder nun unter seinen Fittichen hat, viel kleiner als das vorher um Riesa. Hatte er dort Katholiken auf 1000 Quadratkilometern zu betreuen, seien es nun 260. „Das ist wie einmal über den Hof fahren“, findet er schmunzelnd.
Und dann sind sie vorüber, Kauders 20 Minuten, tatsächlich waren es – Eineinviertelstunden.
In den Katholischen Pfarrgemeinden im Alb-Donau-Kreis beneiden alle Pfarrer ihren Don Camillo Kollegen ueber seine 250 Schäfchen.
Der Alb-Donau-Kreis umfasst 127734 Katholiken,21 Seelsorgeeinheiten für 89 kath.Kirchengemeinden,
eine Seelsorgeeinheit besteht in der Regel aus einem geweihten Seelsorger + 1–2 Diakone im günstigsten Fall
Im Text ist nirgends von „250 Schäfchen“ die Rede, sondern von einer Fläche, die der Pfarrer zu betreuen hat, die etwa 260 Quadratkilometer umfasst. Die Anzahl der Katholiken in dem Gebiet beträgt ein Vielfaches von 250.