Eine kleine Wissenschaft ist sie schon, die professionelle Geflügelzucht. Im südwestsächsischen Mannichswalde haben sich am Wochenende ihre Vertreter gemessen – ein zugewandt-ironischer Ortstermin.
MANNICHSWALDE. Kennen Sie Walter Schwarz oder Martin Platzbecker? Nicht? Dabei haben die beiden den „großen Standard“ geschrieben: drei Bände Umfang – zusammen mehr als 800 Seiten, in Farbe und „ein Muss für alle Geflügelzüchter“, heißt es unter Fachleuten im Internet. Diese Züchterbibel entscheidet gewissermaßen über Leben und Tod – einer Taube zum Beispiel. Pokal oder Kochtopf. Womöglich. Ganz sicher aber haben deren Vorgaben die Richtung gewiesen, ob ein Tier ausgezeichnet wird oder nicht bei der Kreisrassegeflügelausstellung, die am Wochenende in Mannichswalde vom Ortsverband Langenreinsdorf ausgerichtet worden ist: 466 Exemplare aus den Ortsvereinen der Region. Jung- und Alttiere. Hühner, Zwerghühner, Tauben – fachmännisch begutachtet von Preisrichtern schon am Donnerstag.
Was aber entscheidet über Wohl und Wehe? Laut Daniel Geschwandtner etwa Farbe, Zustand der Befiederung oder – Kropf. Die Rasse Sächsischer Kröpfer – ohne, Sie wissen schon, prächtigen …? Vorstellbar zwar für den Fachmann, aber nur mit Punktabzug. So ist es denn auch vermerkt auf der Beurteilung eines Tieres: „zur Zeit der Bewertung keine Blasfreude“. Schlaff war er also, der Kropf, „das Blaswerk nicht ausreichend ausgeprägt“, sagt der 41-Jährige – und das ausgerechnet beim „Hauptrassemerkmal“. Dabei ist der Zustand des Kropfes ein Kriterium unter vielen. Auch die Gesundheit zählt: „Sind sie tierschutzgerecht gehalten, gut gefüttert, gepflegt?“ Oder: Wie steht es um die Fußbefiederung? Ist das Tier korrekt bestrümpft? Sind die Federn folglich dort so gewachsen, dass die Zehen hervorschauen? Belatscht – mittellange Federn, behost – die Taubenzehen sind vollständig frei. So weit ist das Feld.
Nach dem Gespräch mit Sachsens Geflügelzüchter-Landesjugendleiter Reinhard Rothe, mit Preisrichter Geschwandtner, dem örtlichen Vorsitzenden Sebastian Dalibor, der mit einer „vorzüglichen“ Indischen Pfautaube aus dem Wettbewerb geht, und Gerhard Kramer, seit 50 Jahren ausgewiesener Züchter Deutscher Nönnchen, ist klar: „Wer nicht mit dem Geflügelzüchtervirus geboren wird“, sagt Rothe schmunzelnd, „den kann man hier in der Ausstellungshalle einsperren – und nichts passiert.“ Bei den anderen reicht womöglich eine halbe Stunde – dann ist die Flamme entzündet und der „große Standard“ liegt irgendwann auf dem Gabentisch.