Inhaltlich heiß, in der Form eher wohltemperiert haben am Dienstagabend der AfD-Vize und der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, in Dresden miteinander über die „Angst ums Abendland“ gestritten.
DRESDEN. Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, ist zu einem Streitgespräch mit AfD-Bundesvize Alexander Gauland zusammengetroffen, nachdem das ZdK zum Katholikentag in Leipzig Vertretern der Partei noch den Zutritt zu Podien verwehrt hatte. Zu der Veranstaltung am Dienstag vor rund 200 Gästen, die unter dem Titel „Angst ums Abendland“ stand, hatte die Katholische Akademie ins Haus der Kathedrale eingeladen. „Solange die Möglichkeit zum Dialog besteht, wollen wir ihn nicht enden lassen“, sagte Akademie-Direktor Thomas Arnold zum Auftakt. Sternberg aber beklagte daraufhin eine „Verrohung der Sprache“ in der politischen Auseinandersetzung in Deutschland. Die beiden Sprengstoffanschläge in Dresden in der Nacht zu Dienstag hätten wie andere Gewalttaten gewissermaßen eine verbale Vorgeschichte, auch wenn die Urheber noch nicht ermittelt seien. „Achten wir darauf, wie wir sprechen“, mahnte er, denn es gebe „Begriffe, die verbieten sich, weil sie die Gesellschaft vergiften“. Der 64 Jahre alte gebürtige Sauerländer verwies dazu auf das durch den NS-Gebrauch belastete Wort „völkisch“ und kritisierte die AfD für ihr „Spiel mit Begriffen“. Während ein Parteivertreter ein belastetes Wort „fallenlasse“, dementiere es ein anderer. Doch dann sei es in der Welt, verschöben sich Grenzen in Debatte und Umgang.
Sternberg sprach sich zudem mit Verweis auf die Zeit des Eisernen Vorhangs für offene Grenzen und gegen eine Überhöhung des Nationalstaates aus; die europäische politische Tradition sei vor dem 19. Jahrhundert stets eine völker- und staatsübergreifende gewesen. Der gebürtige Chemnitzer Gauland verwies darauf, dass gerade in einer globalisierten Welt der Nationalstaat nicht am Ende sei und dessen Grenzen geschützt werden müssten – auch durch die Bundeswehr. Gleichzeitig sagte der 75-Jährige, der auch Vorsitzender der brandenburgischen AfD-Landtagsfraktion ist, dass seine Partei hinter dem Grundgesetz stehe, das aber – wenn nötig – wie in der Vergangenheit auch geändert werden könne. Er stellte das darauf aufbauende derzeitige deutsche Asylrecht infrage, das seiner Meinung nach nicht unabhängig von Kulturkreis oder Religion gelten solle. Während der sowohl als Germanist wie als Theologe promovierte Sternberg, der seit 2005 für die CDU im nordrhein-westfälischen Landtag sitzt, dem AfD-Mann zustimmte, dass die Integration von Migranten eine nach wie vor große Herausforderung sei, stellte er sich gleichzeitig hinter Angela Merkels Satz: „Wir schaffen das.“ Es gebe keinen Notstand, der Staat sei nach Startschwierigkeiten bei der Bewältigung der Migration handlungsfähig.
Der promovierte Jurist Gauland indes verwies auf den Unterschied, der zwischen – geglückten – Integrationsleistungen vergangener Jahrhunderte und den aktuellen Herausforderungen liege: Seien es einst etwa „katholische Polen“ gewesen, die in großer Anzahl in Deutschland integriert wurden, habe man es nun mit Menschen aus einem anderen Kulturkreis zu tun. Gleichzeitig äußerte der AfD-Politiker, er habe „keine Probleme“ mit Zuwanderung – auch von vielen Muslimen -, „wenn sie auf die Scharia verzichteten“. Dass Kriegsflüchtlinge aus Syrien aufgenommen werden, unterstütze er. Wer jedoch den Wunsch, in Deutschland aufgenommen zu werden, nur mit Wohlstandsfortschritten begründet, solle abgewiesen werden. Gauland warnte vor einer völligen Veränderung des Landes wie vor Parallelgesellschaften, die in manchen Ruhrgebietsstädten oder Berliner Stadtvierteln längst existierten. „Ich möchte nicht, dass der Kölner oder der Speyerer Dom eines Tages in eine Moschee umgewandelt werden“, sagte er. Sternberg plädierte für Differenzierung: Nicht alle Muslime dürften über einen Kamm geschoren werden, und im Umkehrschluss sei nicht jeder, der Christ sei, deswegen automatisch ein guter Mensch. Zudem habe sich das christliche Abendland stets dadurch ausgezeichnet, dass es offen war – für Zuwanderung, neue Ideen, Hilfe gegenüber Notleidenden und Verfolgten.
Bei der Debatte mit dem Publikum kam es im Anschluss immer wieder – wie schon vorher – zu Zwischenrufen. Die Stimmung war streckenweise angespannt: Eine Dame stellte etwa infrage, ob man einen Vertreter der rechtspopulistischen AfD wie Gauland zu einer kirchlichen Veranstaltung als Gesprächspartner überhaupt einladen dürfe. Thomas Sternberg, selbst von 1988 bis 2016 Direktor einer Katholischen Akademie, stellte sich aber unter Beifall hinter das Format.