Der Wiener Naschmarkt ist ein Tummelplatz für die, die Bionade in ausgefallenen Geschmacksrichtungen suchen, das beste Hummus der Stadt, Süßkartoffeln und rote Oliven, Türkischen Honig, Schalentiere, Champagner. Der Claim von Wohlstandsjugend, Genuss-Touristen, Flaneuren. Auch ich saß heute kurz in einem der Hotspots der Premium-Fressmeile, bei „Neni“, trotz Markise in brüllender Hitze, und löschte meinen Durst mit einem Eistee. „Selbstgemacht“, beteuerte die Bedienung. Gefühlt im Minutentakt boten vom Wege aus junge Männer mit mal fragendem Blick, dann zudringlicher Stimme Zeitungen zum Kauf an. Entnervt winkte ich ab, ein ums andere Mal. Bis ein Herr kam mit Rucksack in der einen, in der andern Hand aber einem leeren Pappkaffeebecher, mit dem er um eine Spende bat. Siebzig, achtzig Jahre war er alt und trug am Hals weithin sichtbar einen nach wie vor offenen Luftröhrenschnitt. Der mit mir reist, steckte ihm einen Geldschein zu. Worauf der Herr wortlos seine Tasche abstellte auf den Stuhl am freien Nachbartisch, sie öffnete und daraus eine alte, verschmutzte, mit Blumenmotiven bemalte Kaffeetasse hervorholte – „Kahla“ stand auf der Unterseite und verwies auf ihre Herkunft von dem thüringischen Traditionsporzellanhersteller. Wie sie wohl an die Donau gekommen war? Ich wischte den Gedanken beiseite. Der Mann wollte die Tasse meinem Weggefährten überreichen, zum Dank – dabei, wie zur Begründung auf seinen Hals weisend, in dem Sinne: Mir nützt sie ohnehin nichts mehr. Ich kann nur noch mit Schmerzen trinken. Oder gar nicht? Mein Begleiter winkte erst ab, überfordert von der unerwarteten Geste, während ich ihm bedeutete: Nimm sie, nimm sie an! Als Zeichen. Auf dem Wiener Naschmarkt.