Die ehemalige Stiftskirche in Wechselburg ist als erste jenseits Berlins in Ostdeutschland zur „Basilica minor“ erhoben worden. Was bedeutet das?
WECHSELBURG. Seit dem 18. Jahrhundert wird der Ehrentitel „Basilica minor“ von den Päpsten in Rom an besondere Kirchen weltweit verliehen – nun auch an die frühere Wechselburger Stifts- und heutige Pfarr‑, Kloster- und Wallfahrtskirche „Heilig Kreuz“. Längst wird sie im Volksmund „Basilika“ genannt, trägt fortan aber jenen Zusatz, der auf mehr als nur den Bautypus hinweist und wörtlich zunächst nur „kleinere“ bedeutet. Prior Maurus Kraß vom benachbarten Benediktinerkloster, das die Kirche seit 25 Jahren mitnutzt, und der Bischof von Dresden-Meißen, Heinrich Timmerevers, haben die päpstliche Ehrung im September bei einer Wallfahrt vor 2700 Gläubigen in Wechselburg (Kreis Mittelsachsen) verkündet.
Was aber bedeutet sie, und wie kommt die Wechselburger Kirche dazu? Seit der römischen Antike werden bestimmte Kirchen aufgrund ihrer Bauart „Basilika“ genannt. Auch das vor 850 Jahren erstmals erwähnte spätromanische Wechselburger Gotteshaus zählt zu diesem Typus. Übernommen und weiterentwickelt haben ihn die frühen Christen im vierten Jahrhundert von bis dato als Handels‑, Geldgeschäfts- oder Gerichtsorten weltlich genutzten römischen Vorläuferanlagen zum Bau ihrer liturgischen Versammlungsstätten. Die Innenräume der oft nach den Stifterfamilien benannten Gebäude zeichneten sich durch meist zwei oder drei parallele Schiffe aus mit umlaufenden Säulen- oder Pfeilerreihen, abgeschlossen durch eine flache oder in der Kaiserzeit oft eingewölbte Decke.
Detaillierter Fragebogen aus Rom
Als am 12. November der Apostolische Nuntius, Erzbischof Nikola Eterović, als Botschafter des Papstes in Deutschland nach Mittelsachsen kam, würdigte er aber nicht nur einen bedeutenden Kirchenbau durch die formale Erhebung zur „Basilica minor“ – der vom Wechselburger Benediktinerkloster beantragten und vom Bistum unterstützten Ehrung hatte zunächst auch die Deutsche Bischofskonferenz zustimmen müssen. Die Hoffnung auf einen positiven Bescheid verbanden die Einreicher des Antrags, Benediktiner-Pater Maurus Kraß aus Wechselburg und Abt Barnabas Bögle in der Mutterabtei Ettal, die schon seit 1920 den gleichen Titel trägt, mit dem Wunsch, mehr als Steine, Geschichte und Kunst hervorzuheben.
„Wir wollten dreierlei“, sagt Pater Maurus: die Katholiken würdigen, die in der DDR unter vielen Entbehrungen diesen Ort als durchbeteten erhielten. „Das hätte auch ein Museum werden können“, sagt er. Außerdem gehe es um jene, die heute in der Pfarrei mittun, auf deren Terrain nur 1,8 Prozent der Bürger Katholiken sind – die mittun, um das Gotteshaus zu erhalten, zu schmücken, die zu Gebet und Liturgie zusammenkommen. Schließlich, sagt der Prior, sollte auch an die gedacht und denen gedankt werden, die seit der deutschen Wiedervereinigung in Wechselburg Seelsorge geleistet haben und leisten. Jüngst ist mit Pater Gabriel Heuser einer der Gründungsmönche in Wechselburg 78-jährig verstorben, dessen Wirken überkonfessionelle Anerkennung weit über die Region hinaus genoss.
„Unabhängig davon ist der Titel eine Empfehlung an die Öffentlichkeit, dass das ein besonderer Ort ist“, sagt Pater Maurus. Er war es auch, der den zwölfseitigen, durchweg in Latein abgefassten Fragebogen von der vatikanischen Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung ausfüllte. „Das ist das Antragsverfahren für eine Art Unesco-Weltkulturerbe auf Katholisch“, sagt er schmunzelnd. Gefordert waren aus Rom detaillierte Angaben zu Baugeschichte und Ausstattung der Kirche, Gottesdiensten, die täglich stattfinden müssen, und regelmäßigem Stundengebet. Außerdem habe er lückenlos für das vergangene Jahr sämtliche Wallfahrten aus Nah und Fern aufgelistet. Eine umfangreiche Fotodokumentation von Kirche, Lettner, Altar und vielem anderen sei angefertigt worden. Der Bischof von Dresden-Meißen musste schriftlich Stellung nehmen. Pater Maurus hatte Heinrich Timmerevers schon bei dessen Antrittsbesuch in Wechselburg 2016 mit Blick auf das in diesem Jahr gefeierte 850. Kirchweihjubiläum angesprochen und einen derartigen Antrag ins Gespräch gebracht, den die Gottesdienstkongregation schließlich prüfte und positiv beschied.
„Durch den Titel soll die Bedeutung dieser Kirche für das Umland hervorgehoben und die Verbindung mit der Kirche von Rom und dem Heiligen Vater gestärkt werden“, erklärt Bischof Heinrich Timmerevers. Als äußeres Erkennungszeichen ziert den Eingang des Gebäudes bald das Wappen des jeweils regierenden Papstes. Der Ehrentitel sei „immer Verpflichtung und Ansporn“, so der Bischof.
Weltweit etwa 1770 Basilicae minores
Der Liturgiewissenschaftler Heinzgerd Brakmann weist zudem darauf hin, dass in einer „Basilica minor“ jene kirchlichen Feste feierlich zu begehen seien, die in Beziehung zum Apostel Petrus und dem Papstamt stehen; Predigt- und Beichtdienst solle besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden, dazu der religiösen Bildungsarbeit, die in Wechselburg durch die Benediktiner längst überregionale Resonanz findet. Schließlich, so Brakmann in seinem Beitrag für das „Lexikon für Theologie und Kirche“, seien dabei „die römischen Verlautbarungen zu studieren und zu verbreiten“.
Der Titel „Basilica minor“ wurde zuletzt 2015 an Gotteshäuser in den Bistümern Trier und Hildesheim verliehen. Von den weltweit etwa 1770 derart geehrten Kirchen befinden sich 77 in Deutschland, darunter die Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen in Oberfranken, die 1897 die erste in Deutschland so gewürdigte war. Dass es bislang nicht mehr derartige Basiliken in Ostdeutschland gibt, erklärt Pater Maurus auch mit der Reformationsgeschichte. Zahlreiche herausragende Kirchen wie die Dome in Magdeburg, Halberstadt, Meißen, Naumburg sind seinerzeit evangelisch geworden.
Diese kleinen päpstlichen Basiliken in aller Welt besitzen gegenüber den wenigen, sämtlich in Rom und Assisi befindlichen „Basilicae maiores“, die schon vor dem 18. Jahrhundert als „Papstkirchen“ firmierten, zwar eine niedere liturgische Rangstufe, hat Ulrich Nersinger einst in der Zeitung „Die Tagespost“ geschrieben. Auch verfügten sie über weniger Vorrechte. Sie stehen aber jeder nicht derart privilegierten Kirche voran.