Als der Graf katholisch wurde

Die auf das Jahr 1873 datierte Medaille mit der Inschrift "Aedes Instaurata Wechselburgi" ist wohl im Zusammenhang mit der Konversion des Grafen von Schönburg-Glauchau nebst Gattin im Jahr 1869 und der 1871 bis 1884 erfolgten Renovierung der damaligen Wechselburger Schlosskirche entstanden. Sie zeigt das in der römischen Kirche Sant' Alfonso aufbewahrte Gnadenbild Unserer Lieben Frau von der immerwährenden Hilfe. Eine Kopie davon schenkte Papst Pius IX., dessen Konterfei auf der Rückseite abgebildet ist, dem Ehepaar. Foto: Stephan von Spies
Die auf 1873 datier­te Medail­le ist wohl im Kon­text der Reno­vie­rung der Wech­sel­bur­ger Schloss­kir­che und der Geburt des ersehn­ten Erben im glei­chen Jahr in Rom ent­stan­den (Inschrift: „Wechels­bur­gi“ statt „Wech­sel­bur­gi“). Sie zeigt das in der römi­schen Kir­che Sant‘ Alfon­so auf­be­wahr­te Gna­den­bild Unse­rer Lie­ben Frau von der immer­wäh­ren­den Hil­fe. Eine Kopie davon schenk­te Papst Pius IX., des­sen Kon­ter­fei auf der Rück­sei­te abge­bil­det ist, dem Gra­fen von Schön­burg. Foto: Eli­sa­beth Meuser

Vor 150 Jah­ren kon­ver­tier­te der pro­tes­tan­ti­sche Carl von Schön­burg-Glauchau. Ein lan­ger, hart geführ­ter Kul­tur­kampf folg­te, der über Sach­sen hin­aus beträcht­li­ches Auf­se­hen erregte.

WECHSELBURG. „Graf unter Poli­zei­schutz“, Kon­tro­ver­sen in der säch­si­schen Pres­se, von der römi­schen „unge­bühr­lich auf­ge­bauscht“, „erheb­li­che Unru­he in kon­ser­va­ti­ven pro­tes­tan­ti­schen Adels­krei­sen“, Unter­ta­nen ver­wei­gern Kir­chen­ge­bet – so lau­ten zeit­ge­nös­si­sche und spä­te­re Ein­las­sun­gen über die Lage in den Schön­bur­ger Herr­schaf­ten, heu­te Sach­sen, nach­dem sich am 19. März 1869 in Rom für die einen Uner­hör­tes, für ande­re Segens­rei­ches ereig­net hat­te. Der pro­tes­tan­ti­sche Graf Carl von Schön­burg-Glauchau (1832–1898) und sei­ne Gat­tin refor­mier­ten Bekennt­nis­ses, Adel­heid (1845–1873), eine aus Fran­ken stam­men­de Grä­fin von Rech­te­ren-Lim­purg-Speck­feld, hat­ten am Tiber in der Redemp­to­ris­ten-Basi­li­ka des Erlö­sers und des Hei­li­gen Alfons das katho­li­sche Glau­bens­be­kennt­nis abgelegt.

Auch wenn sich der abge­stell­te Poli­zei­schutz als über­flüs­sig erwies – dem Gra­fen wur­de nach der Rück­kehr kein Haar gekrümmt –, war die Kon­ver­si­on des Spros­ses einer bedeu­ten­den säch­si­schen Fami­lie, Land­tags­mit­glieds, Ehren­rit­ters des Johan­ni­ter­or­dens und Inha­bers von Konsistorial‑, Patro­nats- und Epi­skopal­rech­ten ein Skan­dal ers­ten Ran­ges. Dies lag auch dar­an, dass Carl, wie­der in der Wech­sel­bur­ger Resi­denz nord­west­lich von Chem­nitz, zwar aus dem Orden aus­trat und auf Rech­te zuguns­ten von wei­ter pro­tes­tan­ti­schen Mit­glie­dern des Gesamt­hau­ses Schön­burg ver­zich­te­te, wie es His­to­ri­ker Micha­el Wet­zel in der „Säch­si­schen Bio­gra­fie“ nach­ge­zeich­net hat.

„Unter der Hand eine öffent­li­che katho­li­sche Kultusstätte“

Doch Carl brach­te einen Haus­ka­plan für die bis dato evan­ge­li­sche Schloss­kir­che mit. Gegen katho­li­sche „Pri­vat­an­dach­ten“ sei zwar nie Ein­spruch erho­ben wor­den, berich­tet Franz Blanck­meis­ter 1906 in sei­ner Kir­chen­ge­schich­te. Anstoß nahm die pro­tes­tan­ti­sche Sei­te indes dar­an, dass „die Haus­ka­plä­ne aus der Schloß­kir­che unter der Hand eine öffent­li­che katho­li­sche Kul­tus­stät­te zu machen und das Recht der evan­ge­li­schen Kir­che an ihr still­schwei­gend zu besei­ti­gen such­ten“. Das aber bestehe unab­hän­gig davon fort, dass die im 12. Jahr­hun­dert errich­te­te Basi­li­ka seit 1843 auf Geheiß von Carls pro­tes­tan­ti­schem Vater Alban regel­mä­ßig katho­li­schem Kul­tus offen­stand und in Fami­li­en­be­sitz war, zudem die evan­ge­li­sche Pfarr­kir­che St. Otto einen Stein­wurf ent­fernt liegt.

Seit etwa 1690 nutz­ten die Schön­bur­ger die Basi­li­ka nach der Säku­la­ri­sie­rung 1539 gele­gent­lich als Kapel­le; sonst blieb sie Werk­statt, Lager. Öffent­li­che katho­li­sche Mes­sen, etwa für Zuwan­de­rer, waren tabu. „Das wur­de“, so der evan­ge­li­sche Kir­chen­his­to­ri­ker Klaus Fit­schen auf Anfra­ge, „erst nach jahr­zehn­te­lan­gen Ver­hand­lun­gen und hef­ti­gen Debat­ten im Land­tag geneh­migt.“ Ein „Reka­tho­li­sie­rungs­ver­such“, als der jede Aus­deh­nung des Kul­tus galt, wur­de von pro­tes­tan­ti­scher Sei­te seit der Kon­ver­si­on Augusts des Star­ken schon bei Ver­dacht scharf bekämpft. Es gab – trotz nun katho­li­scher Mon­ar­chen – „kei­ne Reli­gi­ons­frei­heit für Katho­li­ken“, ergänzt der Theo­lo­ge und His­to­ri­ker. Für die katho­li­sche Sei­te wie­der­um sei jeder Über­tritt ein pro­pa­gan­dis­ti­scher Gewinn gewe­sen und hat­te Sym­bol­cha­rak­ter in einer Zeit, in der sich die anti­ka­tho­li­sche Stim­mung deutsch­land­weit verschärfte.

Noch ab etwa 1895, so der katho­li­sche His­to­ri­ker Hein­rich Mei­er 1988, spitz­te sich die Lage in Wech­sel­burg wei­ter zu. Um die Jahr­hun­dert­wen­de erreich­ten Maß­nah­men des Dres­de­ner Kul­tus­mi­nis­te­ri­ums gegen die rege Mis­si­ons­ar­beit der Schön­bur­ger den Höhe­punkt. Etwa seit 1879 hat­te es im gräf­li­chen Schloss­park Fron­leich­nams­pro­zes­sio­nen gege­ben, die zunächst kaum Wider­spruch aus­lös­ten, schreibt Mei­er. Da es wohl aber die ein­zi­gen unter frei­em Him­mel auf dem Gebiet des Apos­to­li­schen Vika­ri­ats waren – das Bis­tum Mei­ßen wur­de erst 1921 wie­der­errich­tet -, stieg der Zustrom der Gläu­bi­gen. Die­se kamen – meist auf Arbeits­su­che – aus Süd­deutsch­land und dem Aus­land, etwa Ita­li­en und Polen, nach Sachsen.

„Wech­sel­bur­ger Kul­tur­kampf“ als Höhe­punkt des Konfessionsstreits

Geneh­migt war die Teil­nah­me an Pro­zes­sio­nen von den Behör­den nur Per­so­nen der gräf­li­chen Fami­lie und des Haus­stands. Da die Bestim­mung wie­der­holt unter­lau­fen wur­de, ver­bot die Leip­zi­ger Kreis­di­rek­ti­on für das Jahr 1900 allen ande­ren den Zutritt zum Schloss­park. Das Ereig­nis ging als „Wech­sel­bur­ger Kul­tur­kampf“ in die Geschich­te ein, so Bir­git Mitz­scher­lich, Lei­te­rin des Diö­ze­san­ar­chivs des Bis­tums Dres­den-Mei­ßen. Für jede Über­tre­tung wur­den dem Gra­fen 100 Mark Geld­stra­fe angedroht.

Dass es sich um mehr als eine Pos­se han­del­te, zeigt der Auf­wand, den die Kreis­di­rek­ti­on betrieb, um der Anord­nung Gel­tung zu ver­schaf­fen: His­to­ri­ker Mei­er, der akri­bisch Akten aus­ge­wer­tet hat, nennt fünf Gen­dar­men, die auf­ge­bo­ten wur­den und auch den Zaun des Parks auf Taug­lich­keit prüf­ten. Auf der evan­ge­li­schen Pfarr­kir­che bezo­gen ein Gen­darm und der Hilfs­geist­li­che Pos­ten. Let­ze­rer habe sich gar das Mit­tags­mahl auf den Turm brin­gen las­sen, damit ihm zu kei­ner Zeit etwas ent­ge­hen konn­te. Spä­ter einig­ten sich die Schön­bur­ger und das Minis­te­ri­um; öffent­li­che Mes­sen durf­ten stattfinden.

1945 wur­de mit Ent­eig­nung und Flucht der Fami­lie zwar deren Wir­ken in der Regi­on unter­bro­chen, nicht aber das katho­li­sche Leben, das sie auch mit einer Schul­grün­dung geför­dert hat­ten. Die bis­he­ri­ge, bis 1884 auf­wen­dig reno­vier­te Schloss- ist seit der DDR-Zeit Pfarr- und zudem seit 1993 Klos­ter­kir­che. Joa­chim, der Vater des heu­ti­gen Chefs des gräf­li­chen Glauchau­er Schön­burg-Zweigs, wur­de 1998 dar­in bei­gesetzt. „Die Kon­ver­si­on spielt für uns eine gro­ße Rol­le“, sagt Sohn Alex­an­der. Wech­sel­burg blei­be „unser geis­ti­ges Zuhau­se. Wir sind den Bene­dik­ti­nern unend­lich dank­bar dafür, dass sie die­sen für uns so wich­ti­gen Ort … pfle­gen und zu einem geist­li­chen Zen­trum in Süd­sach­sen gemacht haben.“ Alex­an­ders ältes­ter Sohn, Erb­graf Maxi­mus, ist dort getauft wor­den. Für die im Janu­ar ver­stor­be­ne Schwes­ter des Haus­chefs wer­den Ange­hö­ri­ge am Vor­abend des Jah­res­tags der Kon­ver­si­on zu einem Requi­em in der eins­ti­gen Schloss­kir­che zusammenkommen.

Wäh­rend sich schon vor Jah­ren Wech­sel­bur­ger Lai­en­schau­spie­ler unver­krampft dem Ereig­nis von 1869 wäh­rend des Markt­fes­tes dar­stel­le­risch wid­me­ten, singt der öku­me­ni­sche Kir­chen­chor im See­len­amt für Maya von Schön­burg am 18. März, sagt der Wech­sel­bur­ger Bene­dik­ti­ner-Pri­or, Pater Mau­rus Kraß. Bei­de Kon­fes­sio­nen sind längst im Dia­spor­aall­tag auf­ein­an­der ver­wie­sen. „Wir wol­len“, sagt Pater Mau­rus, „kei­nen Tri­umph der einen über die andern zele­brie­ren.“ Dass aber heu­te in Wech­sel­burg Mön­che leben und in der Kir­che, die jüngst als ers­te Ost­deutsch­lands jen­seits Ber­lins vom Papst zur Basi­li­ca minor erho­ben wor­den ist, die Hei­li­ge Mes­se lesen, kann den­noch als Fol­ge der Kon­ver­si­on des Gra­fen vor 150 Jah­ren gelten.

Das Gelüb­de von Lourdes

Zeug­nis vom tie­fen Glau­ben Carls und sei­ner Gat­tin legen Erin­ne­run­gen ab, die in Adel­heids Tage­buch über­lie­fert sind, berich­tet deren 1932 im Wech­sel­bur­ger Schloss gebo­re­ner Uren­kel Rudolf von Schön­burg: Ange­sichts jah­re­lan­ger Kin­der­lo­sig­keit fuhr sie mit ihrem Mann nach Lour­des, um im Ver­trau­en auf die Got­tes­mut­ter einen Sohn als Erben und Garan­ten ihrer Anstren­gun­gen zu erfle­hen, selbst wenn es sie das Leben kos­ten möge. Neun Mona­te spä­ter kam am 20. Juli 1873 ein Jun­ge zur Welt, obwohl die Mut­ter als unfrucht­bar galt. Fünf Tage dar­auf, in vol­lem Bewusst­sein ihres Opfers, als Dank für den Buben ihr Leben auf­zu­ge­ben, habe sie sich ein letz­tes Mal das Kind brin­gen las­sen und starb an Kind­bett­fie­ber, sagt Rudolf von Schön­burg, der in Spa­ni­en leben­de Onkel des heu­ti­gen Haus­chefs, mit Ver­weis auf ihm vor­lie­gen­de Auf­zeich­nun­gen. Erst sechs Jah­re spä­ter hei­ra­te­te Rudolfs Urgroß­va­ter ein zwei­tes Mal.

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