Wer? Was? Wann? Wo? Wie? lauten die fünf W des Nachrichtenjournalismus – früh habe ich sie mir eingeprägt. Aus den Antworten kredenzt der Rechercheur die Seelenspeise der News-Junkies. Halbwertszeit, vielfach: weniger als einen Tag lang. – Weit mehr interessierte mich früh ein sechstes W, das sich mit Warum ausbuchstabieren lässt. Journalistenschulen sehen es gern Reportagen, Kommentaren, Berichten vorbehalten. Für Nachrichten, so schnell als möglich auf ein Ereignis folgend abgefasst, käme die Warum-Frage meist zu früh. Das hindert viele Kollegen nicht daran, sie dennoch eilends zu stellen, obwohl deren Beantwortung meist Zeit beansprucht. Während mich Antworten auf die großen Fünf zunehmend langweilten, ging von Nummer sechs ein Zauber aus, der hielt. Oft war er das einzige, was mich journalistisch zu klären interessierte. Warum sind so viele Leute in der westlichen Welt, trotz materiellen Wohlstands, derart unzufrieden? Warum schweigt Gott? Warum lässt er soviel Leid zu in der Welt? – Vor wenigen Tagen nun war ich in St. Marienthal, im ältesten, durchweg besiedelten Frauenkloster Deutschlands. Das Gespräch mit jener Nonne, mit der ich verabredet war, kam auch auf jene letzte, menschheitsalte Frage nach dem Grund für das Leid – und sie sagte: Fragen Sie auch „wozu“! Das ließ mich – krankheitshalber in einer Verschnaufpause – an einen Obdachlosen denken, dem ich seit Jahren ab und an in einer Dresdener Kirche begegne. Mit einem Freund versuche ich, ihm mit bescheidenen Mitteln beizustehen. Wozu? Almosen als Christenpflicht, Nächstenliebe, Dankbarkeit. Warum oder wozu – nicht einfach ist das zu unterscheiden und doch nicht dasselbe. Der Mann jedenfalls hat nie um Hilfe gebeten. – Wer beschenkt hier wen?