Alexander Paul Finke und Jörg Zinser verkaufen Holzfurnierleuchten.
DRESDEN. Der eine kam aus Greifswald im Nordosten Deutschlands, der andere aus Freudenstadt im Südwesten – getroffen haben sich beide nicht ganz auf halbem Wege, aber fast, nämlich in Dresden. Auf dem dreizehnten Längengrad noch dazu, denn auf ihm liegt die Stadt, die der jungen Firma bei der Namenswahl Pate stand – sie heißt: Dreizehngrad.
Hier studierten Alexander Paul Finke und Jörg Zinser gemeinsam Produktgestaltung an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW), nachdem der eine sich in Brandenburg zum Tischler hatte ausbilden lassen und der andere in Baden-Württemberg zum technischen Zeichner. Vor drei Jahren machten sie sich im sächsischen Florenz an der Elbe gemeinsam selbständig.
Das Produkt, mit dem sie ihr Geld verdienen, hatten sie auf dem Weg zum Diplom bereits ausgiebig erprobt. Für ihre damalige Abschlussprüfung entwarfen und bauten die beiden Stehleuchten, deren Schirme aus Tischlerfurnier, also einer hauchdünnen Holzschicht bestehen, durch die das Licht so sanft wie wohlig-warm hindurchschimmert und die Holzmaserung zur Geltung bringt. Als transluzent bezeichnen Fachleute diese Eigenschaft, das Material ist zwar licht‑, nicht aber blickdurchlässig wie bei Glas. Mit ihren Furnierleuchten in klassisch-eleganten Formen, die mit Preisen zwischen 250 und 750 Euro – Maßanfertigungen sind teurer – im Mittelfeld liegen, gehören sie nach eigenen Angaben heute zur kleinen Schar von bloß drei oder vier Anbietern in ganz Europa.
Vor zwei Jahren jedenfalls, im April, nahmen Finke und Zinser mit ihren Leuchten an der Frankfurter Leuchtenfachmesse „Light and Building“ teil, die ihnen den letzten Motivationsschub verlieh, nachdem sie auch ihr damaliger Professor ermutigt hatte, den Weg in die Selbständigkeit zu wagen. „Zur Messe gefahren sind wir noch ohne jede Erwartung“, sagt der 32-jährige Finke, „und waren völlig überrascht, als es schon dort erste Bestellungen gab.“
Seither entwerfen die beiden Leuchten, die stehen oder hängen, und bringen sie auf den Markt; mittlerweile ist die vierte eigene und dazu eine Fremdkollektion erschienen, die sie von einem Kölner Designbüro entwerfen ließen. Jedes Jahr soll eine weitere eigene Reihe hinzukommen, die bei Online-Shops, im Fachhandel oder direkt bei Dreizehngrad bestellt werden kann. Aus bescheidenen 100 Leuchten, die sie 2011 absetzten, wurden im Folgejahr 350, in diesem wird mit 600 Exemplaren gerechnet. Im nächsten Jahr sollen es 1000 sein. „Unser Weg führt langsam, aber stetig bergauf“, sagt Finke. „Wir kommen ohne Fremdkapital aus.“
Schwierig war anfangs vor allem, die betriebswirtschaftlichen Hürden zu meistern, denn keiner der beiden hatte damit wirkliche Erfahrung. Hilfe kam von der Hochschule, von Behörden und von der Sächsischen Aufbaubank (SAB). Nach dem Studienende 2009 schrieben sie zunächst einen Businessplan, warben erfolgreich bei der SAB einen Gründerzuschuss ein. Über neun Monate bedeutete dies je 1000 Euro für jeden von ihnen, um den Lebensunterhalt zu bestreiten, darüber hinaus ein Privatdarlehen. Für zwei Jahre stellte die HTW ein Büro am Campus, voll ausgestattet und mietfrei, wo sie von den Erfahrungen anderer Jungunternehmer profitierten. All das liegt hinter ihnen. Zuschüsse gibt es keine mehr, das Büro an der Hochschule haben sie getauscht gegen eine halbe Etage eines in die Jahre gekommenen Hinterhofgebäudes, wenige hundert Meter von der Dresdner Altstadt mit Semperoper und Zwinger entfernt.
Besucher stolpern in der Kreativschmiede beinahe auf Schritt und Tritt über Leuchtenmodelle, Papierzeichnungen, Prototypen, Studien aus Pappkarton und Konkurrenzprodukte. Auf den Computern flackern eigene 3D-Entwürfe, Tabellen, Diagramme. Während Jörg Zinser vom heimischen Schwarzwald aus, wo der ebenfalls 32-Jährige mit Frau und Kind lebt, Warenbeschaffung und Einkauf regelt, hält sein Kompagnon mit einem Werkstudenten und einer Designpraktikantin in Sachsen die Stellung, kümmert sich um Kundenkontakte, entwirft neue Modelle und organisiert die Produktion. Diese wiederum findet im anderthalb Autostunden von Dresden entfernten Ehrenfriedersdorf statt, einem erzgebirgischen Zentrum der Holzschnitzkunst.
Dort ist vorerst eine ihrer Mitarbeiterinnen damit beschäftigt, in angemieteten Räumen die nur 0,3 bis 0,4 Millimeter dünnen Leuchtenschirme aus Kirschholz oder Birke, (Satin) Nussbaum oder Ahorn in Form zu bringen und zu verkleben, dann die elektrischen Bauteile einzusetzen, die zugekauft werden, die fertigen Leuchten zu konfektionieren und zu verpacken. Dann gehen die Pendel‑, Steh‑, Tisch- oder Wandleuchten auf ihre Reise zu den Kunden; bis zu dreißig oder – je nach Modell – einhundert Stück können das derzeit täglich sein. Mit Stolz wickelt man gerade einen Großauftrag für Esprit ab. Mehr als 350 sogenannte Pendelleuchten des Modells „Swing“ haben sie bislang an die Modekette ausgeliefert, die sie europaweit in ihren Geschäften einbauen lässt. Eine wichtige Visitenkarte sei das, von der sich Finke und Zinser Folgeaufträge erwarten, doch schon jetzt verkaufen sie ihr Sortiment, das mittlerweile auch um eine glasbeschirmte pure, beinahe grobe Linie ergänzt wurde, weit über Deutschlands Grenzen hinaus in aller Herren Länder.