Jan Schiller und André Heller entwickeln in der Plavis GmbH leicht bedienbare Planungssoftware für mittelständische Unternehmen.
CHEMNITZ. Flink wandern Jan Schillers Finger über einen Bildschirm, der sich durch Berührungen steuern lässt. Der heute 33-Jährige hat 2006 die Softwarefirma Plavis GmbH in Chemnitz gegründet. Sechs Jahre zuvor war der gebürtige Berliner zum Studium an die dortige TU gekommen – und geblieben, um am TU-Institut für Betriebswissenschaften und Fabriksysteme zu arbeiten. Nun öffnet Schiller ein Computerprogramm. Dann schiebt er mit dem Zeigefinger rote und grüne Rechtecke kreuz und quer über die Mattscheibe, die mal breitere, mal schmalere Linien mit Pfeilsymbolen verbinden. Der Medieninformatiker führt kein Computerspiel vor, sondern das Produkt visTable, eine Software, die er mit dem Geschäftsführerkollegen André Heller und sieben Mitstreitern weiterentwickelt hat. Je nach Farbe und Symbolik werden auf dem Bildschirm Maschinen angezeigt. Eine CNC-Fräse zum Beispiel, eine Presse oder Stanze. „Aus einem Baukasten mit mehr als 1000 Maschinen, Anlagen und weiteren Ausrüstungen kann der Nutzer wählen, um seine Fabrik zu bauen, um sich Materialströme oder Wegebeziehungen anzeigen zu lassen“, sagt Schiller. Es sei dem Nutzer überlassen, ob er das Lager an dieser oder jener Stelle positioniere, oder wo er die Werkstatt hinsetzt. Am Ende steht das maßstabgetreue Modell einer Fabrik, die visTable nicht nur zwei‑, sondern auch dreidimensional darstellen kann.
„Neu ist nicht“, bekennt Kogeschäftsführer Heller, „dass wir eine Planungssoftware für Fabriken entwickelt haben, sondern dass wir eine derart komplexe Anwendung kleinen bis mittelgroßen Unternehmen zugänglich machen können.“ Konzerne hingegen, zum Beispiel in der Automobilindustrie, unterhielten zum Zwecke solcher Planungen ganze Abteilungen. Auf diesem Feld seien sie kleinen und mittelständischen Unternehmen 15 oder 20 Jahre voraus. Schiller und Heller wollen dem Mittelstand ein Instrument an die Hand geben, das Wissens- und Erfahrungsträger, Produktionsleiter oder Geschäftsführer nach einer Einweisung eigenständig und unabhängig bedienen können. „Intuitive Bedienbarkeit“, lautet das Credo für die Plavis-Entwickler, zu denen auch Maschinenbauer und Wirtschaftsingenieure gehören. „Wer ein iPad bedienen kann“, sagt Heller schmunzelnd, „der kann auch unsere Software bedienen.“
Während sich vielerorts Planer noch immer über Papierrisse beugten und zum Schluss kommen könnten, Maschine X doch besser an Standort B statt A zu positionieren, geschehe dies mit visTable am Bildschirm, ergänzt der ebenfalls 33-Jährige und schiebt nach: „Nur dass jetzt nicht mehr für jede Änderung ein Plan neu gezeichnet werden muss.“ Dem Wortsinne nach Berührungsängste abbauen, das wollen sie bei den Beteiligten eines Fabrikplanungsprozesses. Fachkenntnisse über klassische CAD-Systeme (Computer-aided Design), also computergestützte Konstruktionssysteme seien nicht mehr vonnöten. VisTable richte sich an produzierende Unternehmen, die nicht bestimmten prozessualen Besonderheiten unterliegen wie die chemische oder die Lebensmittelindustrie, sagt der gebürtige Plauener, der auch schon in einer Softwareschmiede in der australischen Stadt Perth gearbeitet hat. Knapp 10.000 Euro muss für Software, Schulung und Anlaufunterstützung auf den Tisch legen, wer die Layoutplanung in seine Firma zurückholen will. Das tun immer mehr, denn in Zeiten kürzer werdender Produktzyklen muss schnell handeln, wer den Anschluss an technische und prozessuale Entwicklungen nicht verpassen will. Deshalb sehen Schiller und Heller, die sich während des Studiums in einer gemeinsamen WG kennenlernten, für ihre Software beträchtlichen Bedarf. Sie nennen Umsatzwachstumsraten von 30 bis 40 Prozent für die vergangenen Geschäftsjahre – freilich von niedrigem Niveau aus. An bald 200 Kunden haben sie ihre Anwendung verkauft. Der Kreissägenhersteller mit 250 Beschäftigten zählt genauso zum Kundenstamm wie der Industrieausrüster oder der Maschinenbauer mit je etwa 10.000 oder der Messgeräteproduzent mit 700 Mitarbeitern. Kontakte geknüpft werden vorrangig auf Fachschauen, der Logistikmesse Cemat oder der Hannover-Messe (beide in Hannover), auf der Logimat oder der Motek in Stuttgart.
Interessant sind für die Macher von Plavis aber nicht nur Industrieunternehmen, sondern auch Planungsdienstleister, mehr noch Hochschulen oder Universitätsinstitute, an denen Fabrikplaner ausgebildet werden. Die RWTH Aachen oder die TU Chemnitz zählen zu denen, die das Programm einsetzen. Für die Zukunft haben sich Schiller und Heller vorgenommen, ihr Chemnitzer Domizil in einem Existenzgründerzentrum gegen eine dauerhafte Bleibe in der Stadt zu tauschen. Und sie wollen – „viel wichtiger“ – ihre Software erweitern. Dazu sollen Planungsschritte integriert werden, die vor der bisher abgedeckten Layoutplanung, einem Teilschritt der Fabrikplanung, liegen. Deshalb widmen sich die Plavis-Entwickler derzeit der Wertstromanalyse. Mit ihr werden Durchlauf- und Transportzeiten untersucht. „Noch bevor konkrete Maßstäbe oder Gebäudegrößen präzisiert werden, wird dabei der Produktionsablauf mit den jeweiligen Materialflüssen festgelegt“, erläutert Schiller. Plavis will eine Software entwickeln, die die dazu erforderliche Datenerhebung vereinfacht und leicht verständlich zugänglich macht.