Aus dem sächsischen Werdau ins kaiserliche Wien

Der im südwestsächsischen Werdau geborene Ernst Graner brachte es in Wien als Vedutenmaler zu Renommee. Seine Bilder werden noch immer rege gehandelt, wie das Schaufenster einer namhaften Kunsthandlung in vornehmer Lage zeigt. In seiner Geburtsstadt Inter hingegen längst vergessen. Foto: Michael Kunze
Der im süd­west­säch­si­schen Wer­dau gebo­re­ne Ernst Gra­ner brach­te es in Wien als Vedu­ten­ma­ler zu eini­gem Renom­mee. Sei­ne Bil­der wer­den an der Donau noch immer rege gehan­delt, wie das Schau­fens­ter einer Kunst­hand­lung in vor­neh­mer Lage zeigt. In sei­ner Geburts­stadt ist er hin­ge­gen ver­ges­sen. Foto: Micha­el Kunze

Längst ist der Künst­ler Ernst Gra­ner an der Plei­ße ver­ges­sen, dabei wur­de er 1865 hier gebo­ren. An der Donau, wo vor allem sei­ne Aqua­rel­le noch rege gehan­delt wer­den, trägt gar eine Gas­se sei­nen Namen.

WIEN/WERDAU. Nichts ahnend fla­niert der Rei­sen­de im früh­lings­haf­ten Wien durch die Gas­sen. Gestärkt durch ein Häferl Kaf­fee und ein Stück Top­fen­stru­del im ehr­wür­di­gen Café „Bräu­ner­hof“, in dem schon der Schrift­stel­ler Tho­mas Bern­hard (1931 bis 1989) zu Gast war, mus­tert er die Aus­la­gen die­ses Anti­qua­ri­ats und jener Kunst­ga­le­rie – an der Doro­theer­gas­se um die Ecke. Gleich den Per­len einer Ket­te reiht sich hier ein Geschäft an das ande­re für die so kunst­sin­ni­ge wie sol­ven­te Kund­schaft in der öster­rei­chi­schen Metropole.

Plötz­lich aber blei­ben die Bli­cke haf­ten – zuerst an einer Ansicht des Ste­phans­doms, einem in kräf­ti­ge Far­ben gefass­ten Aqua­rell, dann an dem Kärt­chen dar­un­ter, das Ernst Gra­ner als den­je­ni­gen aus­weist, der das Bild gemalt hat und des­sen Geburts­ort mit „Werdau/Sachsen“ angibt. 49 mal 37 Zen­ti­me­ter misst es, ist vom Künst­ler signiert und für 8900 Euro zu haben. Im Fens­ter neben­an steht Gra­ners Ansicht vom Wie­ner Stadt­thea­ter, in einem wei­te­ren eine von der Hof­burg. Bei­de sind güns­ti­ger und im ers­ten Vier­tel des 20. Jahr­hun­derts entstanden.

Ein Werk im Bestand der Kunst­samm­lun­gen Zwickau

Wäh­rend indes im 23. Wie­ner Bezirk seit 1961 eine nach dem über Jahr­zehn­te an der Donau akti­ven Maler benann­te Gas­se exis­tiert, sieht es in sei­ner Geburts­stadt anders aus: „In Wer­dau erin­nert mei­nes Wis­sens nichts an den Maler“, sagt Bir­git Bau­er vom Stadt­ar­chiv auf Anfra­ge. „Auch in einem alten Mel­de­buch, wel­ches zir­ka 1875 beginnt, gibt es den Namen Gra­ner nicht“, ergänzt sie. Das könn­te dar­an lie­gen, dass er nie oder nur kurz in Wer­dau gelebt hat.

Eines von Gra­ners Wer­ken füh­ren jedoch die Kunst­samm­lun­gen Zwi­ckau in ihrem Bestand, teilt das Kul­tur­amt der Stadt auf Nach­fra­ge mit. Dabei han­de­le es sich um ein Her­ren­por­trät in „Öl auf Lein­wand, signiert, datiert und beschrif­tet“. Es stam­me von 1898 und befin­de sich laut Inven­tar­ver­zeich­nis seit 1965 im Hau­se – seit dem 100. Jahr nach Gra­ners Geburt in der Nach­bar­stadt Wer­dau also. Wie und war­um es dahin kam, ist unklar. Da Gra­ner – so viel gibt die Fach­li­te­ra­tur preis über den in Wer­dau auch für Muse­ums­chef Hans-Jür­gen Bei­er Unbe­kann­ten – schon 1890 mit Aus­stel­lun­gen im Wie­ner Künst­ler­haus am Karls­platz ver­tre­ten war, sei anzu­neh­men, „dass er sei­ne Geburts­stadt früh ver­las­sen hat, um an der Wie­ner Aka­de­mie zu stu­die­ren“, heißt es vom Zwi­ckau­er Kulturamt.

Den­noch könn­te er in Wer­dau oder Zwi­ckau ver­mut­lich Unter­richt genom­men haben bei dem Maler und Zei­chen­leh­rer Ernst Eich­ler (1850 bis 1895) – des­sen Nach­lass liegt im Wer­dau­er Muse­um. Denn bei dem in Zwi­ckau behei­ma­te­ten Gemäl­de dürf­te es sich auf­grund einer Anmer­kung in den Unter­la­gen um die Kopie eines Wer­kes von Eich­ler han­deln. Die­ser war nach Aus­kunft von Wer­daus Muse­ums­chef Bei­er in den 1880er-Jah­ren von einem län­ge­ren Ita­li­en-Auf­ent­halt nach Sach­sen zurück­ge­kehrt – nicht aber in sei­ne frü­he­re Hei­mat­stadt Wer­dau, son­dern nach Zwi­ckau. Dort wie­der­um könn­te er den jun­gen Gra­ner unter sei­ne Fit­ti­che genom­men haben, bevor die­ser nach Öster­reich aus­wan­der­te. An der Donau schuf Gra­ner eine Viel­zahl von Land­schafts­bil­dern und Stadt­an­sich­ten – von der Karls- wie der Votiv­kir­che, dem Ste­phans­dom und des­sen Rie­sen­tor oder der Hof­burg. Gra­ner war bald in der ört­li­chen Sze­ne inte­griert und seit 1910 Mit­glied in der sti­lis­tisch kon­ser­va­ti­ven, nach dem Wie­ner Künst­ler­haus benann­ten Grup­pe. Nach Aus­kunft von Ursu­la Storch, Vize­di­rek­to­rin der Muse­en der Stadt Wien, arbei­te­te er über­dies schon 1895/96 für die seit 1889 erschei­nen­de und nach ihrem Her­aus­ge­ber benann­te Münch­ner Sati­re­zeit­schrift „Meg­gen­dor­fer-Blät­ter“.

„Qua­li­tät­vol­le­rer Vedutenmaler“

Gra­ner, der 1943 78-jäh­rig in Wien starb, zählt nach Storchs Anga­ben „zwei­fel­los zu den qua­li­tät­vol­le­ren Vedu­ten­ma­lern“. Den­noch dürf­ten die Prei­se für die Aqua­rel­le im Schau­fens­ter der Gale­rie an der Doro­theer­gas­se zu hoch ange­setzt sein, schät­zen die Zwi­ckau­er Fachleute.

Für Uwe Feus­tel, Kunst­leh­rer am Wer­dau­er Hum­boldt­gym­na­si­um, liegt dies auch dar­an, dass eini­ge Wer­ke in die Zeit des Jugend­stils und das Umfeld der Grup­pe „Wie­ner Seces­si­on“ zu rücken sei­en, wor­aus sich bereits ein Samm­ler­in­ter­es­se erge­be. Die Künst­ler­grup­pe näm­lich war jene berühm­te Abspal­tung von der Ver­ei­ni­gung „Wie­ner Künst­ler­haus“, der spä­ter Gra­ner ange­hör­te. Von der Bedeu­tung Gra­ners für Wien zeugt über­dies, dass allein Ursu­la Storchs Haus mehr als 50 Arbei­ten des gebür­ti­gen Wer­dau­ers beher­bergt. Sie sind „noch immer im Kunst­han­del sehr beliebt“, sagt sie.

Aus dem säch­si­schen Wer­dau ins kai­ser­li­che Wien: 1 Star2 Stars3 Stars4 Stars5 Stars
5,00 von 5 Punk­ten, basie­rend auf 8 abge­ge­be­nen Stimmen. 
Loading…
Share this: 
Share this page via Email Share this page via Facebook Share this page via Twitter

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert