Während der eine sich zum Datenverarbeitungskaufmann ausbilden ließ, begann der andere eine Ausbildung zum Offset-Drucker, die er abbrach. Geboren wurden beide in der DDR im Jahre 1973 – der spätere Terrorist Uwe Mundlos in Jena, Peter Richter – heute Journalist, Essayist und Romanautor – in Dresden. Während Mundlos – schon 1988 kahlgeschoren und in Springerstiefeln unterwegs – sich zum Rädelsführer des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ radikalisierte und an zehn, meist rassistisch motivierten Morden beteiligt gewesen sein soll, bevor er sich im November 2011 in Eisenach eine Pumpgun an den Kopf setzte, studierte Richter in Hamburg und Madrid Kunstgeschichte, volontierte bei „Deutschlandradio“ und „Deutschlandfunk“, war dann bei der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ unter Vertrag und berichtet seit 2012 für die „Süddeutsche Zeitung“ aus New York. Zwei gleichaltrige Männer, zwei Biografieentwürfe aus Ostdeutschland mit ähnlichen Ausgangsbedingungen. Diese Parallelen seien für Peter Richter ein wichtiges Motiv gewesen, seinen neuen, autobiografisch angelegten Roman „89/90“ zu schreiben, aus dem er heute im Kultur-Haus Loschwitz bei der Buchhändlerin Susanne Dagen in seiner Geburtsstadt vorlas. 1973er wie er und Mundlos, arbeitete Richter im Gespräch heraus, sie bildeten den letzten Jahrgang, der das DDR-Standardprogramm für junge Leute vollständig durchlief, bestehend aus Pionierorganisation, Jugendweihe, FDJ-Mitgliedschaft, … Die Perspektiven ab 1990 waren dabei zwar nicht für alle gleich, da in den Jahrzehnten vorher trotz Einebnung des Sozialgefüges Schichtunterschiede fortbestanden – auch wenn vom alten Bürgertum nur ein kärglicher Rest den Sozialismus überdauert hatte. Richter hatte indes keineswegs mit seinem bildungsbürgerlichen Hintergrund („das Modernste, was meine Eltern zu Hause hörten, war Rachmaninow“, sagte er heute. Die Ironie in seiner Stimme konnte die tiefere Wahrheit darin jedoch nicht überspielen) von vornherein bessere Karten als Mundlos. Nach dem Motto: die bösen Umstände, die Gesellschaft, die anderen – sie sind schuld. Denn auch Mundlos‘ Vater ist Mathematiker und war in den neunziger Jahren Informatikprofessor an einer Fachhochschule; der Terrorist stammt also aus geordneten Verhältnissen, womit bekanntlich nach wie vor der Verwunderung Ausdruck verliehen wird, wenn aus derartigen Kreisen Querschläger hervorgehen (wie bei der RAF). Spätestens seit 1989 jedenfalls verliefen Richters und Mundlos‘ Lebenswege grundverschieden. Warum das so war und sich jenseits derart gegenläufiger Beispiele noch immer fortsetzt, darüber wäre zu sprechen – weit mehr als bislang, auch und gerade im 25. Jahr der Wiedervereinigung.