Der Büchnerpreisträger Martin Mosebach las im Dresdner Kulturpalast aus seinem beklemmenden Reisebuch über koptische Martyrer.
DRESDEN. Über ein ernstes Thema hat der Frankfurter Schriftsteller, Büchner- und Kleistpreisträger Martin Mosebach am Freitagabend im Dresdner Kulturpalast gesprochen: den Tod von zwanzig Ägyptern und einem Ghanaer – allesamt Christen, bis auf jenen einen ihrer Herkunft nach Kopten. Sie sind 2015 vom Islamischen Staat enthauptet worden – vor der laufenden Kamera ihrer Mörder, nur weil sie ebendies waren. Das Video ging um die Welt. Der Katholik Mosebach wollte mehr über die Umstände wissen und jene seit der muslimischen Eroberung Ägyptens unter mal größerem, mal geringerem Druck lebende beträchtliche Minderheit, deren Schicksal im Westen kaum bekannt ist.
Das kommt – neben mangelndem Interesse nördlich des Mittelmeers – nicht von ungefähr; ihre Kirche mit eigenem Papst verließ die Einheit mit der von Rom lange vor der Orthodoxie, hatte keine Reformation, Gegenreformation, erkennt die Taufe anderer nicht an, sei von der Erwartung der Apokalypse, der Endzeit, wie sie die Bibel schildert, durchdrungen und lebe darauf hin. Insofern ist es kein Zufall, wenn die, die ihr angehören, den Tod von Söhnen, Ehemännern, Freunden an einem Strand in Libyen so deuten: Standhaftigkeit im Glauben mehr würdigend als sie das damit verbundene Verbrechen beklagen. Wer das islamische Bekenntnis „Es gibt keinen Gott außer Gott. Mohammed ist der Gesandte Gottes“ gesprochen hätte, wäre wohl seinem Schicksal entronnen.
Mosebach hat das umgetrieben; vor zweieinhalb Jahren brach er zu einer „Reise ins Land der koptischen Martyrer“ auf, über die er das Buch „Die 21“ veröffentlichte. Nun las er auf Einladung von Zentralbibliothek und Katholischer Akademie vor rund sechzig Zuhörern daraus vor.
Entstanden ist ein beklemmender, geradezu scheuer, aus der lärmenden Gegenwart fortführender Text, der einer Welt näherzukommen sucht, die hierzulande fremd (geworden) ist. Mosebach schildert sie nicht glattgezogen, einer Art idyllischem Arkadien entsprungen, das man eher mit solcher Glaubensfestigkeit assoziierte – wie auf Darstellungen alter Malerei. Er zeigt sie in ihren Widersprüchen mit gewaltigen ökologischen Problemen, verweist auf die Arbeitslosigkeit, die die Männer trotz bekannter Gefahren ins Nachbarland zwang, auf städtebauliche Wüsten. Nicht nur die Anzahl der Muslime wächst, auch die der Kopten; Klöster platzten aus allen Nähten, die Religion spiele im Alltag eine gewaltige Rolle. Viele der 21 „konnten weder lesen noch schreiben“, sagte er. Sie fielen ihren Häschern in einer Arbeiterunterkunft in die Hände.
Trotz ihres Todes sei bei Hinterbliebenen selten Trauer spürbar: Im Vordergrund gestanden habe die Freude, nun einen Fürsprecher im Himmel zu wissen. Dass Mosebach, der als Verfechter einer hierarchischen Kirche immer wieder kritisiert wird, ein Signal setzen wollte angesichts vielfacher Ignoranz hierzulande gegenüber Christen, die in Unterdrückung leben, liegt auf der Hand: „Dieses Martyrium ist ja etwas anderes als das Abschlachten von Unschuldigen“, sagte er und verwies auf die schon bei Jesus am Kreuz ersichtliche „Passivität des Leidens“, die doch eine bestimmte, unerhörte Aktivität zeige.
Kritiker haben ihm vorgeworfen, er übernehme über Gebühr das Selbstbild der Kopten, um damit kirchenpolitische Debatten zu beeinflussen. Das kann man so sehen. Dass zur Lesung bei diesem Thema keine führenden Verantwortlichen hiesiger Kirchen zugegen waren, dürfte eher den Kritikern solcher Einwürfe Recht geben.