Produktszenografen

Knut Kro­was, Mark Offer­mann und Lars Schmie­der kön­nen sogar Beton etwas Geschmei­di­ges abgewinnen.

DRESDEN. Möbel aus Beton: ver­moos­te Park­bän­ke zum Bei­spiel oder klo­bi­ge Tische auf Auto­bahn­rast­stät­ten. Wer kennt sie nicht? Ran­da­lie­rern machen sie das Hand­werk schwer. Ein­la­dend aber sind sie des­halb nicht – immer ent­we­der zu kalt oder zu warm, je nach Wit­te­rung. Schwer, lang­wei­lig, jede Bequem­lich­keit fehlt. Knut Kro­was, aus­ge­bil­de­ter Pro­dukt­ge­stal­ter, Mark Offer­mann, Archi­tekt, und der stu­dier­te Kauf­mann Lars Schmie­der, alle drei Anfang 30, wuss­ten um den schwe­ren Stand des Außen­mo­bi­li­ars – und doch: Genau auf die­ses Mate­ri­al woll­ten sie set­zen und grün­de­ten vor zwei Jah­ren das Unter­neh­men „Pauls­berg“. Die Dresd­ner ent­wer­fen, bau­en und ver­mark­ten Möbel aus Beton für drin­nen und draußen.

Da die phy­si­ka­li­schen und bau­tech­ni­schen Eigen­schaf­ten des Mate­ri­als mit den Funk­tio­nen, die Möbel erfül­len müs­sen, nur schwer in Ein­klang zu brin­gen sind, ent­wi­ckel­ten die drei Jung­un­ter­neh­mer den Werk­stoff wei­ter. Mög­lich wur­de dies, weil For­scher der TU Dres­den aus dem grau­en Zement-Sand-Was­ser-Gemisch einen fle­xi­blen, kar­bon­ver­stärk­ten Mul­ti­funk­ti­ons­werk­stoff ent­wi­ckelt haben, den die Freun­de, die sich noch aus der Schul­zeit ken­nen, für sich ent­deck­ten. Der Spe­zi­al­be­ton kann dank eines beschich­te­ten, mit Glas­fa­ser ver­näh­ten Kar­bon­net­zes, das als Bin­de­ge­we­be dient, nicht nur weni­ge Mil­li­me­ter dünn ver­ar­bei­tet wer­den. Das allein spart Mate­ri­al und Gewicht. „Die neue Armie­rung, die das in der Bau­in­dus­trie übli­che gehär­te­te Eisen im Stahl­be­ton ersetzt, ist auch wesent­lich bes­ser gegen Kor­ro­si­on geschützt“, sagt Schmieder.

Doch wenn Start­ka­pi­tal fehlt, ist aller Anfang stei­nig. Die Macher von Pauls­berg meis­tern die Grün­dungs­pha­se mit einem Exist-Sti­pen­di­um über 72 000 Euro. Begrenzt auf ein Jahr, erhält jeder von ihnen jeweils 2000 Euro monat­lich. Das Geld kommt vom Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Wis­sen­schaft und Tech­no­lo­gie und vom Euro­päi­schen Sozi­al­fonds. Das war 2010/11. Dann sprang die Haus­bank mit einem auf sechs Jah­re ange­leg­ten Dar­le­hen für Inves­ti­tio­nen ein, wäh­rend das lau­fen­de Geschäft heu­te die Ein­kom­men der Gesell­schaf­ter und von drei Mit­ar­bei­tern aufbringt.

Beton­mö­bel, mehr­fach prä­mier­te sogar – das ist das eine. Die jun­ge Fir­ma steht aber auf drei Bei­nen. Neben selbst ent­wi­ckel­ten Pro­duk­ten, bis­lang Stüh­le, Tische, Bän­ke – mit denen das eige­ne Label gezielt bekannt gemacht wer­den soll – und deren Ver­kauf, ent­wi­ckelt Pauls­berg Pro­duk­te für einen kon­kre­ten Bedarf Drit­ter; künst­le­ri­sche Wand­be­span­nun­gen aus Prä­ge­be­ton zum Bei­spiel für ein Hotel oder Bän­ke und Stüh­le für einen Klas­sen­raum im Frei­en eines Dresd­ner Gym­na­si­ums. Als klas­si­sche Manu­fak­tur jedoch ver­steht sich Pauls­berg nicht – längst wer­den Möbel des eige­nen Sor­ti­ments in Beton­fer­tig­teil­wer­ken her­ge­stellt –, son­dern als Design­stu­dio. Die eige­nen Erzeug­nis­se, die nicht auf den Werk­stoff Beton beschränkt blei­ben sol­len, sind seh- und tast­ba­re Tür­öff­ner zu ande­ren Kun­den. „Sie zei­gen, dass wir uns mit einem abs­trak­ten Mate­ri­al aus­ein­an­der­set­zen, dass wir Pro­duk­te ent­wi­ckeln und sie insze­nie­ren kön­nen“, sagt Schmie­der. „Eigent­lich wol­len wir Geschich­ten erzählen.“

Auf dem Gebiet der Pro­dukt­szen­o­gra­fie hin­ke nicht nur der deut­sche Markt wenigs­tens 20 Jah­re hin­ter­her, meint der 32-Jäh­ri­ge. Des­halb will das Unter­neh­men gera­de hier künf­tig wach­sen: Die Dresd­ner arran­gie­ren für Fir­men­kun­den deren Erzeug­nis­se, Mar­ken, Mate­ria­li­en – auf Mes­sen, Prä­sen­ta­tio­nen, in so genann­ten Pop-up-Stores – Läden, die nur für kur­ze Zeit bestehen, um bestimm­te Pro­duk­te oder Ideen jen­seits des wach­sen­den Inter­net­mark­tes bekannt zu machen.

Mit Erfolg. Für den Glas­hüt­ter Uhren­her­stel­ler Nomos – auch der Wie­ner Zement­gi­gant Hol­cim zählt zu den Kun­den –, ent­war­fen Schmie­der und sei­ne Kol­le­gen einen Prä­sen­ta­ti­ons­raum. In einem Fabel­wald wur­de sechs Uhren­mo­del­len je ein Fabel­we­sen zuge­schrie­ben. Deren indi­vi­du­el­le Cha­rak­te­re soll­ten für eine bestimm­te Kun­den­grup­pe ste­hen. Auch auf das Erz­ge­bir­ge als Her­kunfts­ort von Nomos habe man mit dem Wald hin­wei­sen wol­len. Beton jeden­falls spiel­te bei die­sem Auf­trag kei­ne Rol­le. Und das soll Schu­le machen. „Denn“, betont Schmie­der, „wir sind kei­ne Hand­wer­ker. Wir kön­nen uns gut mit abs­trak­ten Situa­tio­nen aus­ein­an­der­set­zen.“ Der Umsatz des Unter­neh­mens wach­se, sagt er, ohne ihn nen­nen zu wol­len. Und wäh­rend der rela­ti­ve Umsatz­an­teil aus dem Ver­kauf von Kol­lek­ti­ons­mö­beln sin­ke, stei­ge der aus Projekten.

Noch aber sind die Möbel wich­tig, die je zur Hälf­te Pri­vat­leu­te und Fir­men­kun­den vor allem aus den Metro­pol­re­gio­nen Deutsch­lands, Öster­reichs und der Schweiz kauf­ten. Jeder drit­te Zugriff auf die Fir­men­web­site stam­me aber schon jetzt aus dem nicht-deutsch­spra­chi­gen Aus­land; das dahin­ter­ste­hen­de Kun­den­po­ten­ti­al soll künf­tig stär­ker geho­ben wer­den. Hel­fen könn­te dabei, dass Pauls­berg mit Möbel- und Mate­ri­al­ga­le­rien koope­riert – nicht nur am Her­kunfts­ort in Dres­den, son­dern auch in Ham­burg, Mün­chen, Wien oder Lon­don. Neben dem Eigen- und dem klas­si­schen Möbel­ver­trieb haben Kro­was, Offer­mann und Schmie­der Archi­tek­ten ins Boot geholt, die ihre Kun­den auf die Pro­duk­te und Werk­stof­fe, auf die Dresd­ner Ideen- und Design­schmie­de auf­merk­sam machen sol­len. Das neu­es­te Möbel­stück – ein leder­be­spann­ter Schau­kel­stuhl, der dem Scha­len­sitz eines Renn­wa­gens ähnelt – wird in die­sen Tagen auf der renom­mier­ten Mai­län­der Möbel­mes­se prä­sen­tiert, sagt Mark  Offer­mann, der nach sei­nem Archi­tek­tur­stu­di­um in Dres­den einen Szen­o­gra­fie-Mas­ter in Zürich anhäng­te. Mit Mit­tel­maß wol­len er und sei­ne Kol­le­gen sich nicht zufrie­den geben.

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