Das große Leid der Menschen südlich der Alpen in der Corona-Pandemie lässt auch viele hierzulande nicht kalt. Doch kaum bekannt ist: Freiberg weist wie keine andere Stadt in der Diözese Dresden-Meißen Bezüge zu einem Norditaliener auf, der nicht nur ein auch unter Katholiken kaum bekannter Fürsprecher ist, sondern nach dem in der Silberstadt etwa der einstige Pestfriedhof benannt wurde.
FREIBERG/AREZZO. Stadt und Provinz Arezzo sind wie andere in Oberitalien derzeit vom Coronavirus besonders geplagt. Vergleiche mit Pestepidemien kursieren. Der Friedhof, auf dem in Freiberg früher Seuchenopfer beigesetzt wurden, trägt den Namen eines Mannes, der einst in Norditalien wirkte.
Nur: Was hat ein in der Kirche verehrter Bischof, wohl um das Jahr 362 wegen seines Glaubens ermordet und von Papst Julius I. als „Apostel der Toskana“ bezeichnet, mit der Bergbaustadt zu tun? Warum tragen Orte, Gebäude, Straßen seinen Namen? Ein Kenner städtischer Kirchengeschichte, der evangelische Theologe Karl-Hermann Kandler, weiß Rat: „Donatus von Arezzo“, sagt er, „ist einer der Schutzpatrone des 968 gegründeten Bistums Meißen und des Meißner Doms.“
Donatsgasse, ‑ring, ‑turm, das im 19. Jahrhundert abgerissene Tor im gleichnamigen Freiberger Viertel verdanken ihren Namen einer erstmals 1225 und nach Abriss und Wiederaufbau zuletzt 1521 erwähnten Donatikirche. „Es kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass sie vor dem Donatstor auf dem Gelände des heutigen Donatsfriedhofs stand“, schreibt Kandler in seiner „Kirchengeschichte Freibergs“. Der Friedhof wurde auf Initiative des Arztes und späteren Bürgermeisters Ulrich Rülein von Calw vor der Stadt angelegt und bald Begräbnisstätte für Pestopfer.
Warum der ostfränkische König und spätere Kaiser Otto (912 bis 973) für das Bistum das Patronat des dann bis Freiberg „ausstrahlenden“ Heiligen wünschte, von dem noch heute Reliquien im Hauptaltar der Kathedrale von Arezzo ruhen, ist damit nicht geklärt. Laut Kunsthistoriker und Archäologe Matthias Donath rühre dies daher, dass sich Otto am Donatustag des Jahres 936 in Aachen zum König krönen ließ. Seit alters her ist der 7. August mit jenem Bischof verbunden, der als Patron der Bäcker und Epileptiker gilt und oft mit Kelch, Buch, Drachen, Schwert dargestellt wird. Derartige Bezüge hatten in mittelalterlichen Frömmigkeitsvorstellungen große Bedeutung – in jener Ottos „ein fast magischer Glaube an … die Fürsprache der Heiligen“, schrieb Biograf Johannes Laudage. Sein Leben lang sei er „um Reliquien bemüht“ gewesen.
Matthias Donath steht nicht nur dem Dombau-Verein Meissen vor. Er führt seinen Familiennamen auf den Heiligen zurück. Ursprünglich sei diese Übertragung vor allem in der vormals böhmischen, aber zum Bistum Meißen gehörenden Oberlausitz verbreitet gewesen, bevor Mobilität für geografische Streuung sorgte. Auch der Vorname „Donat“ war geläufig.
Seit jener Krönung habe sich Otto dem Heiligen verbunden gefühlt. Der Meißner Dom erhielt Reliquien. Heiligenkult habe sich aber kaum ausgebildet. „Donatus stand im Schatten des Meißner Bischofs Benno (1010 bis 1106), dessen Verehrung schon für die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts bezeugt ist“, so Donath. Das Patrozinium der einstigen Kirche in Freiberg sei ein seltener Fall. Im Zuge der Reformation wurden die Reliquien nach München gebracht. Noch heute gibt es „in der Kirche St. Peter wenige Knöchelchen vom Heiligen Donatus“, sagt Martina Außermeier vom Ressort Bauwesen und Kunst im Erzbischöflichen Ordinariat.
Kunsthistoriker Donath wiederum hat in einem von ihm restaurierten alten Herrenhaus in Niederjahna (Kreis Meißen) eine Donatuskapelle eingerichtet. Am 7. August 2017 wurde sie nach dem Ritus der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche geweiht. Einst gehörte der Tag zu den Hochfesten der Diözese Meißen, ergänzt er. Zudem seien zahlreiche Urkunden des Meißner Domkapitels vor der Reformation an einem 6. August ausgestellt worden, da sich bereits am Vortag die Domherren, die sonst keine Präsenzpflicht hatten, in Meißen versammelten. Heute, informiert Generalvikar Andreas Kutschke, wird der 7. August im Bistum Dresden-Meißen als Gedenktag des Heiligen begangen: Donatus „zählt zu den Bistumspatronen und kann natürlich im Hochgebet erwähnt werden“. Die Ministranten haben bei den letzten großen Wallfahrten nach Rom auf dem Rückweg in Arezzo Station gemacht und am Grab gebetet, sagt er. „Beten wir in diesen Tagen für die Kirche und die Menschen in unserem Bistum und in der Heimat des heiligen Donatus!“