Im südwestsächsischen Frankenhausen machen sich Bürger seit 1985 für den Erhalt eines Kleinods stark, das zur Pilgerherberge ausgebaut werden soll. Dabei sollte es in der DDR zunächst einer Großküche weichen.
FRANKENHAUSEN. Bis die Pilgerherberge an einem der Ausläufer des sächsischen Jakobswegs bezugsfertig ist, geht noch Zeit ins Land, sagt Lutz Kretzschmar, während er vor dem Gebäude steht, in dem sie unterkommen soll. Als Vorsitzender des aus einer DDR-Natur- und Umweltgruppe hervorgegangenen Vereins Sächsischer Heimatschutz im Crimmitschauer Ortsteil Frankenhausen (Kreis Zwickau) hat er sich mit Mitstreitern den Erhalt des einstigen Nonnenklosters auf die Fahnen geschrieben.
Von den 1270er-Jahren bis zum Verkauf an den für Kaiser Karl V. bis nach Rom stürmenden, dann ins Reformationslager übergetretenen Ritter Wilhelm von Thumbshirn vor 475 Jahren wurde hier nach den Regeln des Zisterzienserordens gelebt. „Der Naumburger Bischof behielt [aber] stets die Jurisdiktion“, schreibt Thomas Sterba in „Herders Neues Klösterlexikon“ (2010). Eine Ordensmitgliedschaft könne also ausgeschlossen werden. Während das im Volksmund als Klosterschule bekannte Gebäude (in dem nie eine solche untergebracht war) mit alter Holzdecke, Sitznischen an den Fenstern, historischen Bemalungsresten und solchen einer Schwarzküche sowie Stufengiebel dank großen Aufwands des Vereins erstrahlt und zum Tag des offenen Denkmals oder beim Osterfeuer viele Gäste anzieht, liegt das später errichtete „Witwenhaus“ wie andere Bauten noch brach. Dabei hat die Arbeit in dessen Innern, die nach dem Pleiße-Hochwasser 2013 dringend wurde, längst begonnen, sagt Kretzschmar.
Frauenklöster als Orte weiblicher Autonomie im mittelalterlichen Patriarchat
Auch bis dahin sanierte Teile der einst von Angehörigen des niederen pleißen- und vogtländischen Adels besiedelten Anlage, die, anders als das einstige Prämonstratenserstift Mildenfurth im nahen Wünschendorf, wohl nie über eine geschlossene Klausur verfügte, trugen Blessuren davon: Risse im Gewölbe, nasse Mauern. Die Elektrik musste abermals auf Vordermann gebracht werden. 253.000 Euro sind für die Sanierung des „Witwenhaus“-Erdgeschosses, über dem die Herberge eingerichtet wird, eingeplant. „Um die Kosten im Rahmen zu halten, finden regelmäßig Arbeitseinsätze statt“, sagt Kretzschmar. Einige nicht in Vereinsbesitz befindliche Gebäude wie das ebenfalls mit Stufengiebel versehene Priorhaus verfallen indes. Ein Italiener hat sie in den 1990er-Jahren gekauft, ohne zu sanieren. Wie es damit weitergeht, sei offen. Seit Jahren hoffen manche im Ort auf eine Enteignung, um die historisch wertvolle Substanz zu retten.
Nach dem Krieg zog einst eine Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft (LPG) auf das Areal, ohne für den Erhalt zu sorgen. Einige Frankenhausener konnten den Abriss verhindern, so Kretzschmar: „Man wollte hier eine Großküche errichten.“ Seit 1990 flossen mithilfe von Sponsoren, Unterstützung der Stadt, vom Denkmalsschutz und weiterer Kräfte rund 540.000 Euro in die einst von dem Wettiner Dietrich von Landsberg gestiftete und von Nonnen aus dem thüringischen Grünberg besiedelte Anlage. Die im Zuge der Reformation erfolgte Auflösung als „Befreiungstat“ zu deuten, hält der protestantische Frankenhausener Historiker Matthias Kluge für ein „evangelisches Stereotyp“. Gerade bei Nonnenklöstern liege man damit immer wieder falsch, hätten sich die Frauen doch „häufig vehement dagegen gewehrt, weil sie im Kloster über einen Bildungs- und Autonomiestatus verfügten, den ihnen die patriarchalische Gesellschaft außerhalb verwehrte“.
Die Folgen des Weltkriegs fügten der benachbarten evangelischen Kirche ein katholisches Kapitel hinzu. Denn Vertriebene, die sich um Crimmitschau niederließen, suchten bei beschwerlichen Verkehrsverhältnissen auf dem Lande nach einem Ort, an dem sie die Heilige Messe feiern konnten. „Von 1954 bis 2011 fand diese einmal im Monat in der Kirche statt. Das war ein Zeichen der Ökumene, für das wir dankbar sind“, sagt der frühere katholische Pfarrer von Crimmitschau, Michael Gehrke. Die Geschichte der Kirche ist dabei eine, die sich nicht vollends mit Blick auf ihre Beziehung zum Kloster klären lässt, so Kluge. Einerseits diente der später barockisierte Bau schon der Gemeinde, als das Kloster angesiedelt wurde. Andererseits fehlten Zeugnisse für eine separate Klosterkirche. Ob das Gotteshaus einst dank einer Empore oder anderen baulichen Trennung Gebetsort der Nonnen war, sei offen. Pilger können jedenfalls hoffen, nach 2020 in Frankenhausen auf historischem Grund rasten zu können. „Vier Doppel- und ein Einzelzimmer“, sagt Lutz Kretzschmar, „soll es geben.“
Nonnen in politischer Mission – die Klosteranfänge
Als Papst Innozenz IV. 1245 Kaiser Friedrich II. für abgesetzt erklärte, brach das Interregnum an – eine Zwischenzeit, in der sich die feudale Zentralgewalt in Deutschland auflöste. Im Pleißenland kam es zum Machtkampf zwischen den wettinischen Markgrafen sowie sich verselbstständigenden Reichsministerialen, denen einst vom Kaiser das ihm direkt unterstehende Gebiet überantwortet worden war, schreibt Reiner Groß in seiner „Geschichte Sachsens“ (2001).
Als Angehörige eines dieser Beamtengeschlechter sind 1276 die von Polekes/von Polkenbergs nachgewiesen. Das Castrum Frankenhausen, ein befestigter Ort, unterstand ihnen – und war damit den Wettinern im Weg. Markgraf Dietrich von Landsberg (1242 bis 1285) ließ es zerstören und übergab es bis dato im nahen Grünberg lebenden Nonnen. Mit ihrer Ansiedlung in Frankenhausen sollte der wettinische Anspruch auf die Region gefestigt werden. Unter Äbtissin Christina wurde der Umzug 1292 abgeschlossen. Markgraf Friedrich Tuta von Landsberg stellte das Kloster unter Schutz, König Adolf von Nassau gewährte Steuerprivilegien, so Thomas Sterba im „Klösterlexikon“.