Nah an den Menschen

Pater Ansgar Orgaß vom Wechselburger Benediktinerpriorat bei einem ökumenischen Gottesdienst auf dem Rochlitzer Schlossplatz im Jahr 2015. Foto: privat
Pater Ans­gar Orgaß vom Wech­sel­bur­ger Bene­dik­ti­ner­prio­rat bei einem öku­me­ni­schen Got­tes­dienst auf dem Roch­lit­zer Schloss­platz im Jahr 2015. Foto: privat

Was Mit­tel­sach­sen über ihren Land­kreis sagen, der vor zehn Jah­ren gegrün­det wor­den ist. Heu­te: Pater Ans­gar, Bene­dik­ti­ner­mönch und katho­li­scher Pfar­rer von Wech­sel­burg und Burgstädt.

WECHSELBURG. 25 Jah­re ist Pater Ans­gar im August in Wech­sel­burg zu Hau­se, mit weni­gen Unter­bre­chun­gen – etwa für sein Theo­lo­gie­stu­di­um Anfang der 1990er-Jah­re. Seit 2010 lei­tet der Bene­dik­ti­ner­mönch die hie­si­ge katho­li­sche Pfar­rei, zu der seit 2005 auch Burg­städt gehört. Die Zusam­men­le­gung der vor­mals selbst­stän­di­gen Land­krei­se in meh­re­ren Etap­pen zu einem gro­ßen hat er daher miterlebt.

Die jüngs­te Ver­wal­tungs­re­form, die lan­ge die Gemü­ter erreg­te, ließ ihn den­noch eini­ger­ma­ßen unge­rührt. Zwar ste­hen auch die Struk­tu­ren der katho­li­schen Kir­che man­gels jun­ger Pfar­rer und wegen schrump­fen­der Gläu­bi­gen­zahl unter Druck – auf dem Gebiet der Pfar­rei sei­en nur etwa 1,8 Pro­zent der Bür­ger Katho­li­ken, sach­sen­weit sind es knapp 4 Pro­zent. Zur Kreis­ge­biets­re­form stand das aber in kei­ner Ver­bin­dung. Geän­dert hat sich gleich­wohl der Ansprech­part­ner für das mit Basi­li­ka und Klos­ter ver­bun­de­ne eins­ti­ge Schloss der Gra­fen von Schön­burg-Glauchau. Für das frü­he­re Kran­ken­haus, das sich in Kreis­be­sitz befin­det, haben die Mön­che nach Jah­ren, in denen es ande­re Hoff­nun­gen gab, aller­dings kei­ne eige­nen Plä­ne mehr.

„Allein mit einem Sich-abgren­zen-Wol­len kön­nen wir nicht argumentieren“

Mit Blick auf die Ver­än­de­run­gen seit 2008 kommt der Pater auf sein altes Auto­kenn­zei­chen – „MW“ – zu spre­chen, das er gegen das zunächst obli­ga­to­ri­sche „FG“ ein­tau­schen muss­te. „Mir gefiel das ganz gut, da ich es mir mit ‚Monas­te­ri­um Wech­sel­bur­gen­sis‘ aus­buch­sta­biert habe“, so der 63-jäh­ri­ge Pries­ter schmun­zelnd. Die latei­ni­sche For­mu­lie­rung steht für „Klos­ter Wech­sel­burg“. Das Aus­maß, das die Num­mern­schild-Debat­te in Mit­tel­sach­sen ange­nom­men hat­te, sah er aller­dings amü­siert. „Allein mit einem Sich-abgren­zen-Wol­len kön­nen wir als Katho­li­ken ohne­hin nicht argu­men­tie­ren“, sagt der Pater.

Zwar tau­ge ein Kenn­zei­chen dazu, in einer unüber­sicht­li­cher wer­den­den Welt Iden­ti­tät, Her­kunft, Zuge­hö­rig­keit sowie Unter­schei­dung und Abgren­zung von ande­ren aus­zu­drü­cken. Geo­gra­fi­sche Iden­ti­tät sei für ihn aber nicht die ent­schei­den­de, sagt der in Ham­burg gebo­re­ne Mittelsachsen-„Zuwanderer“. Für sein Theo­lo­gie­stu­di­um in Würz­burg, Mün­chen und Erfurt ist er viel gereist. „Ich füh­le mich da wohl, wo ich ange­nom­men und will­kom­men gehei­ßen wer­de und wo die, die das nicht kön­nen, immer­hin neu­gie­rig sind“, so der Diplom-Kauf­mann, der vor sei­nem Ein­tritt in den Bene­dik­ti­ner­or­den bei der Bun­des­wehr Wirt­schafts- und Orga­ni­sa­ti­ons­wis­sen­schaf­ten studierte.

„Hin­zu kommt, dass mich mein Dienst immer wie­der auch im Groß­kreis in ver­schie­de­ne Regio­nen führt“, sagt der frü­he­re Offi­zier, der 1989/90 in die ober­baye­ri­sche Bene­dik­ti­ner­ab­tei Ettal ein­trat. Sei­ne Erfah­rung: Die Mit­tel­sach­sen unter­schie­den sich in sei­nen Haupt­ein­satz­re­gio­nen kaum von­ein­an­der, was kein Wider­spruch dazu sei, dass es den Mit­tel­sach­sen schlecht­hin für ihn nicht gebe. Es kom­me stets aufs Neue dar­auf an, auf den Ein­zel­nen und sei­ne Situa­ti­on zu schau­en: Pater Ans­gar – sein Ordens­na­me ver­weist auf den gleich­na­mi­gen Erz­bi­schof von Ham­burg und Bre­men aus dem 9. Jahr­hun­dert – ist nicht nur Polizei‑, son­dern auch ehren­amt­li­cher Notfallseelsorger.

Einer­seits ist er also Bei­stand für Poli­zis­ten, bei­spiels­wei­se nach Ein­sät­zen, oder in ande­ren seel­sor­ge­ri­schen oder psy­cho­lo­gi­schen Fra­gen. Dabei gehe es etwa um den Umgang damit, wenn ein Poli­zist im Dienst Gewalt erlebt, ange­grif­fen wur­de oder die Waf­fe ein­ge­setzt hat. Mit mög­li­chen Fol­gen dürf­ten Beam­te nicht allein­ge­las­sen werden.

Mön­chi­sches Leben habe sich nicht überlebt

Ander­seits unter­stützt er Ein­satz­kräf­te in den Berei­chen Döbeln und Mitt­wei­da, wenn die­se Ange­hö­ri­gen Trau­er­nach­rich­ten über­brin­gen müs­sen. In der­ar­ti­gen Umstän­den sind für ihn die oft beton­ten Unter­schie­de zwi­schen den Erz­ge­birgs­re­gio­nen auf der einen Sei­te und jenen im Chem­nit­zer oder Leip­zi­ger Umland auf der ande­ren Sei­te nicht von Belang. Dann sei Bei­stand nötig, Trost, Inne­hal­ten, es wür­den die gro­ßen Fra­gen des Lebens gestellt. „Es geht auch dar­um, nie­man­den allein zu las­sen“, sagt der durch Zusatz­aus­bil­dun­gen qua­li­fi­zier­te Mönch, der nicht nur dabei sei­nen christ­li­chen Glau­ben als Hil­fe zum Leben ver­steht. Erst wenn Ver­wand­te oder Freun­de vor Ort sei­en, zie­he er sich – nach dem Ver­weis auf die Mög­lich­keit, in Kon­takt zu blei­ben – zurück.

Ein­her geht die­ser Dienst mit der beson­de­ren Sicht­bar­keit des „Dienst­ha­ben­den“, auch nach zwei­ein­halb Jahr­zehn­ten Leben im Klos­ter: Die vier Wech­sel­bur­ger Mön­che fal­len auf der Stra­ße immer noch auf. „Unser schwar­zer Habit, die Ordens­tracht, erregt Neu­gier, auch wenn sie über die Jah­re etwas nach­ge­las­sen hat“, so der Pries­ter. „Nach wie vor kommt man leicht ins Gespräch“. Kin­der rie­fen ihm ab und an schel­misch ein „Hal­le­lu­ja“ oder „Amen“ hin­ter­her. Mit der Prä­senz der Mön­che im Land­kreis will er mit sei­nen Mit­brü­dern auch deut­lich­ma­chen, dass das mön­chi­sche Leben sich mit dem Mit­tel­al­ter nicht erle­digt habe – egal, wo die Kreis­gren­zen gezo­gen werden.

Das „Num­mern­schild­pro­blem“ seit dem Abschied von „MW“ lös­te er übri­gens, indem er sich bei der Buch­sta­ben­ken­nung nach dem „FG“ für „KW“ ent­schied, was wie­der­um für „Klos­ter Wech­sel­burg“ steht. Und die Zif­fer „850“ ver­weist auf das gro­ße Wech­sel­bur­ger Kirch­weih- und Orts­ju­bi­lä­um in die­sem Jahr.

Gebür­ti­ger Ham­bur­ger bewarb sich einst auch beim Bundesnachrichtendienst

Bern­hard Orgaß, der nach dem Ein­tritt bei den Bene­dik­ti­nern als Ordens­na­men „Ans­gar“ wähl­te, wur­de im Juni 1954 in Ham­burg gebo­ren. Nach dem Abitur trat er in die Pan­zer­trup­pe der Bun­des­wehr ein, der er von 1975 bis 1988 ange­hör­te. Orgaß wur­de Zug­füh­rer und Fern­mel­de­of­fi­zier in einem Batail­lons­stab. Über einen Mili­tär­pfar­rer kam der Kon­takt zur Bene­dik­ti­ner­ab­tei Ettal zustan­de, zu der Klos­ter Wech­sel­burg gehört. Dabei hät­te alles anders kom­men kön­nen: Zunächst hat­te er sich nach der Bun­des­wehr beim Bun­des­nach­rich­ten­dienst bewor­ben. Seit Grün­dung des Etta­ler Toch­ter­klos­ters im Jah­re 1993 ist Pater Ans­gar in Wech­sel­burg – „die längs­te Zeit mei­nes Lebens“, sagt er. Er war zunächst Kaplan in Geit­hain und Bad Lau­sick und ist heu­te auch in der berufs­ethi­schen Aus­bil­dung ange­hen­der Beam­ter an der Poli­zei­fach­schu­le in Chem­nitz tätig.

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